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Archivale des Monats September 2022

Elektroauto anno 1913
Thursday, 1. September 2022 - 22:29

Archivale des Monats September 2022

Elektroautos anno 1913

Im September 1913 erhielten die Gas- und Elektrizitätswerke der Stadt Aachen ein Schreiben der Accumulatoren-Fabrik AG aus Berlin, die in Köln ihre Ingenieur-Abteilung betrieb.

Die Firma warb mit ihrem Schreiben an den städtischen Energieversorger für einen „elektrischen Selbstfahrer“ und hob die „Vorzüge der elektrischen Wagen gegenüber den Benzinwagen“ hervor. Diese seien in der, verglichen mit dem „Motorwagen mit Explosionsmotor […], überaus einfachen Construktion dieses Wagens begründet.“ Das deshalb aus weniger Teilen bestehende Fahrzeug nutze sich deshalb weniger ab, vor allem im Vergleich zu den Kolben und Ventilen, Kühlern und Schaltgetrieben der Benzinmotoren. Auch der Benzinverbrauch wurde angesprochen: „Besonders erwähnenswert ist noch, dass augenblicklich der Preis des Benzins sehr gestiegen ist und nach Aussage von Fachleuten sich im Laufe der Zeit noch höher stellen wird.“

Elektrische Wagen seien hingegen kalkulierbarer nutzbar: der Motor nutze sich kaum ab, vor allem, wenn er groß genug gewählt sei, höchstens beim „Kontroller“ könne der „Ersatz einiger Kontaktfinger im Laufe der Jahre“ notwendig werden. Öl werde gar nicht benötigt, Schmiermittel nur in sehr geringem Maße und: „Der Gummiverbrauch ist beim elektrischen Wagen infolge des sanften und stossfreien Anfahrens ebenfalls wesentlich geringer als beim Wagen mit Explosionsmotor.“ Der Batterieverschleiß könne anhand „der Betriebsverhältnisse genau im Voraus bestimmt werden“. Hierfür wurde ein Instandhaltungsvertrag angeboten. Die Höhe der Stromkosten könne dann anhand des Strompreises dann leicht berechnet werden. Auch sei der elektrische Wagen viel leichter zu fahren als der benzingetriebene.

Die Fahrzeuge waren sicher und konnten ohne weitere Auflagen überall geparkt werden, so der Hersteller, „die Ladung der Batterien kann mittels vorgeschalteter Eisendrahtwiderstände, welche die Ladestromstärke selbsttätig regulieren, ohne Aufsicht erfolgen.“ Die Modernität der Fahrzeuge wurde durch den Hinweis unterstrichen, dass in Chicago bereits ca. 2500 elektrische Fahrzeuge führen, im Staate New York etwa 7000 und in kleineren Städten wie Oklahoma ca. 300 sowie in den gesamten Vereinigten Staaten ca. 15.000. Unterstützt würde diese Entwicklung in den USA von den Elektrizitätswerken, denn: „Jeder elektrische Wagen ist ein bedeutender und besonders günstiger Stromabnehmer; so beträgt z. B. der Jahresverbrauch eines 5-tons-Elektromobils etwas 12000 Kilowattstunden.“ Heute beträgt der durchschnittliche Energieverbrauch eines E-Autos bei 15.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr ca. 2300 Kilowattstunden. Kalkuliert wurde mit Kosten von 34 Pfennig pro Kilometer, was in der Kalkulation der Firma sieben Pfennig günstiger war als der Betrieb eines Benziners.

Der Wagen, der eine Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h erreichen konnte, wurde für 6100 Mark angeboten, was heute ca. 37000 Euro entsprechen würde. Seine Reichweite betrug 70 bis 80 km.

Trotz all der angepriesenen Vorzüge verzichteten die Aachener Gas- und Elektrizitätswerke auf die Anschaffung dieses E-Autos; der Durchbruch dieser Technologie ließ noch ca. 100 Jahre auf sich warten.

Das Archivale des Monats zeigt ein Foto des angebotenen Fahrzeugs. Im Downloadbereich ist das Schreiben der Firma als pdf abrufbar.

Quelle: Stadtarchiv Aachen, PRZ 29-26, fol. 167-179