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»Fluchtgeschichten«: Weg der Erinnerung 2024 am 9. November

Im Gedenken an die Opfer der Schreckensherrschaft des NS-Regimes findet jährlich am 9. November in Lübbecke der „Weg der Erinnerung“ statt.
Montag, 4. November 2024 - 11:22

Weg der Erinnerung 2024

Im Gedenken an die Opfer der Schreckensherrschaft des NS-Regimes findet jährlich am 9. November in Lübbecke der „Weg der Erinnerung“ statt. Unter dem Titel „Fluchtgeschichten“ greift die diesjährige Auflage ein Thema auf, das die Situation der 1930er- und 40er-Jahre mit der Gegenwart verbindet. Überall auf der Welt fliehen Menschen vor Krieg, Verfolgung, Folter, Terror, Gewalt, Naturkatastrophen; vor Hunger und Armut.

Damals wie heute: Wer flieht, will sich aus einer lebensbedrohlichen Zwangslage in Sicherheit bringen. In einer solchen befanden sich ohne Zweifel die jüdischen Familien in Lübbecke spätestens Mitte der 1930er-Jahre. Die Frage, ob es eine Möglichkeit zur Flucht vor dem NS-Regime geben könnte, stellte sich dabei auch Menschen, die mehr als 100 Jahre in Lübbecke zu Hause gewesen waren und als anerkannte Mitglieder der Gesellschaft gegolten hatten.

Das über lange Zeit friedliche Miteinander der Lübbeckerinnen und Lübbecker, egal welcher Religion sie angehörten, in Vereinen und Schulen, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, endete in den 1930er Jahren jäh. Manche nennen es „Machtübernahme“, andere sprechen von „Machtübergabe“ oder „Machtergreifung“; egal wie man es nennt, mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident von Hindenburg am 30. Januar 1933 beginnt eine neue Zeitrechnung – und für die jüdische Bevölkerung eine historisch beispiellose Tyrannei, die in der „Shoah“ gipfeln sollte, der Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, von den Nazis in Anspielung auf die Scherben der massenhaft zerbrochenen Schaufenster zynisch „Reichskristallnacht“ genannt, wurde auch die Lübbecker Synagoge Ziel eines Brandanschlages. Ein Löschversuch erfolgte nicht, sie brannte bis auf die Grundmauern nieder. Noch am nächsten Morgen schwelten die Überreste.

Am Abend des 9. November hatte die örtliche NSDAP zunächst eine feierliche Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den gescheiterten Hitler-Putsch in München 1923 und die Weihe des sogenannten „Horst-Wessel-Gedenksteins“ abgehalten. Im Anschluss kam es zu judenfeindlichen Kundgebungen in der Stadt, in deren Verlauf Angehörige der SA und der SS die Schaufenster jüdischer Geschäfte zertrümmerten, die Wohnungen jüdischer Bürgerinnen und Bürger demolierten und mehrere Menschen misshandelten. Häuser und Geschäfte, deren jüdische Eigentümerinnen und Eigentümer schon vor dem Pogrom einem Verkauf an nicht-jüdische Käufer zugestimmt hatten, blieben unangetastet.

Etliche jüdische Familien aus Lübbecke hatten bereits im Vorfeld der Novemberpogrome versucht, sich den zunehmenden Repressalien durch Umzug in eine Großstadt zu entziehen. Sie hatten gehofft, dort „untertauchen“ oder sogar ins Ausland emigrieren zu können. Andere verließen erst in den Folgejahren die Stadt. Als Mitte 1941 die „Endlösung der Judenfrage“ von der NS-Regierung propagiert und dadurch die Deportation und Ermordung von Millionen Juden veranlasst wurde, lebten – soviel bisher bekannt ist – bereits keine jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mehr in Lübbecke.

Beim diesjährigen „Weg der Erinnerung“ greifen „Fluchtgeschichten“ die damalige Situation der Verfolgten zwischen Hoffnung und Verfolgung auf. An den Stationen des Weges werden Familien- und Einzelschicksale jüdischer Familien aus Lübbecke nachgezeichnet. Die Veranstaltung beginnt um 11 Uhr im Andreas-Gemeindehaus und führt von dort über die Straße „Feuerrenne“ zum „Platz der Synagoge“, wo sie traditionell mit der Kranzniederlegung am Gedenkstein endet. Alle Interessierten sind wie immer herzlich eingeladen.

Mehr zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Lübbeckes und zum „Weg der Erinnerung“ finden Sie hier.