Direkt zum Inhalt

Weg der Erinnerung im Jubiläumsjahr 2025

Das Rathaus in Zeiten von Schutz und Schutzhaft
Donnerstag, 30. Oktober 2025 - 13:51

Weg der Erinnerung 2025

Im Jahr des 1.250-jährigen Stadtjubiläums nimmt der „Weg der Erinnerung“ das Verhalten der Stadtverwaltung in den vergangenen Jahrhunderten in den Blick. Die Gedenkveranstaltung beginnt am 9. November um 15 Uhr im Großen Sitzungssaal des Lübbecker Rathauses und führt von da aus weiter über den Marktplatz zum Platz der Synagoge. Schülerinnen und Schüler der Stadtschule, des Wittekind-Gymnasiums und des Berufskollegs tragen dabei vor, was sie erarbeitet haben.

In vielen Veranstaltungen wurde 2025 bereits daran erinnert, dass der Ort Lübbecke erstmals zum Jahre 775 Erwähnung fand. 1250 Jahre liegt das demnach bereits zurück und das ist wirklich ein Grund zum Feiern. Aber es ist auch ein Grund, einmal inne zu halten und einzelne Ereignisse aus dieser langen Zeitspanne kritisch zu hinterfragen.

So verlieh der Mindener Bischof Volquin von Schwalenberg dem Ort Lübbecke im Jahre 1279 das Stadtrecht. Seitdem sollen Bürgermeister und Rat dafür sorgen, dass die Menschen in Lübbecke sicher wohnen, unbeschwert miteinander leben und wirtschaftlich tätig sein können.

Menschen jüdischen Glaubens erhielten in den Städten jedoch lange kein Bürgerrecht. Es war christlichen Gläubigen vorbehalten, die noch dazu bei der Aufnahme ein Bürgergeld bezahlen mussten. Da Menschen jüdischen Glaubens im Mittelalter oft als rechtlose und schutzlose Fremde und Ungläubige galten, nahm Kaiser Heinrich IV. sie im Reichslandfrieden von 1104 unter seinen persönlichen Schutz. Sie wurden zu „Schutzjuden“. Wie Mönche, Geistliche, Frauen und Mädchen durften Juden allerdings seitdem – anders als jeder freie Mann damals – keine Waffe mehr tragen. Stattdessen mussten sie sich auf den Schutz durch die kaiserlichen Truppen verlassen. Sie konnten sich – die nötigen finanziellen Mittel vorausgesetzt – einen so genannten „Schutz-“ oder „Geleitbrief“ kaufen. Das blieb über Jahrhunderte so, zumal der Kaiser das Recht, „Juden zu halten“, auf weltliche oder geistliche Fürsten übertragen konnte.

Auch in Lübbecke lebte und arbeitete spätestens seit 1350 eine kleine jüdische Gemeinde. Der sogenannte „Peststein“ an der St.-Andreas-Kirche erinnert an deren Schicksal: Im Jahr der Pest, als die meisten Menschen das nahe Ende der Welt befürchteten und dennoch die Erweiterung der Kirche beenden konnten, wurden die Mitglieder der hiesigen jüdischen Gemeinde ermordet. Die Stadt war ihrer Verpflichtung, alle Teile der Bevölkerung zu schützen, nicht nachgekommen.

Im Laufe der Zeit kam es aber auch mehrfach dazu, dass die Stadt Lübbecke sich konsequent für die jüdische Bevölkerung einsetzte und sie schützte. Es gab Zeiten des harmonischen Miteinanders und der tatsächlichen Gleichberechtigung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Das zeigte sich im vertrauensvollen Umgang miteinander. Man engagierte sich gemeinsam in der Lokalpolitik, in Vereinen und ergänzte sich im Wirtschaftsleben.

Doch dann kamen erneut Zeiten, in denen die Stadtverwaltung sich an die Verpflichtung, alle Menschen in Lübbecke zu schützen, nicht hielt, sondern sie sogar bewusst schädigte und gefährdete. Das wird besonders beim Blick auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 deutlich. Aus dem Schutz wurde – nicht nur für Menschen jüdischen Glaubens, sondern für Unzählige, die nicht der NS-Ideologie entsprachen, sondern anders dachte, lebten, glaubten – eine Schutzhaft. Die Inhaftierungen erfolgten unter dem Vorwand, die Verhafteten vor dem angeblich gegen sie gerichteten „Volkszorn“ zu schützen. Die Wahrheit sah anders aus: Der NS-Staat schaltete dadurch mögliche Gegenspieler aus. Die „Schutzhaft“ war Ausdruck staatlicher Willkür. „Rassistisch“, politisch und sozial Unerwünschte waren dadurch in Wirklichkeit den Repressalien des NS-Staates schutzlos ausgeliefert.

Wie sah es damals in Lübbecke aus und wie verhielt sich die Stadtverwaltung? War sie ebenfalls in dieses Gefüge verstrickt oder gelang es ihr, Verfolgte zu schützen? Wie äußerte sich der damalige Bürgermeister Ernst Meiring, der zugleich Kreisleiter der NSDAP war? Was geschah in den Standesämtern, bei Wahlen und der Zusammensetzung des Rates?

Diesen und weiteren Fragen geht der diesjährige „Weg der Erinnerung“ nach. Der Vorbereitungskreis lädt herzlich zur Teilnahme ein.