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Vorwort

Im vergangenen Jahr 2023 gedachte man der März-Revolution von 1848/49 zu ihrem 175jährigen Jubiläum mit verschiedenen Veranstaltungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene in Deutschland. Im Kreis Lippe waren die Aktivitäten dazu nicht sehr ausgeprägt, da das 900jährige Jubiläum des Hauses Lippe (Ersterwähnung 1123) deutlich dominierte. 1998 (zum 150jährigen Jubiläum) war dies noch anders, als eine Ausstellung erstellt und ein recht umfangreicher Begleitband (siehe dazu Literatur - Lippe) herausgegeben wurde. Damals wurde ein wichtiges Stück europäischer und deutscher Demokratiegeschichte "wiederentdeckt" oder wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein geholt. 2023 wurden dagegen v. a. Orte und Persönlichkeiten der Demokratieentwicklung in Deutschland in den Vordergrund gestellt, u. a. auch das Gebäude des ehem. lippischen Landtages in Detmold. Damit wird auch deutlich, dass die Ereignisse vor 175 Jahren auch in der "Provinz" und in der lokalen Lebenswelt wirkmächtig und nachhaltig waren und durch Persönlichkeiten vor Ort geprägt wurden.

Das Stigma der "gescheiterten Revolution" ist im Kern nicht falsch, aber die damaligen Demokratinnen und Demokraten und nicht zuletzt die Paulskirchenverfassung von 1849 bilden bis heute Bezugspunkte demokratischer Verfassungen, nicht zuletzt auch des Bonner Grundgesetzes, das nicht nur Lehren aus der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus zog, sondern auch aus den frühdemokratischen Bestrebungen von 1848/49.

Die Verbindung von "Lemgo" und "Revolution" ist nicht sehr eingängig, da die Stadtgeschichte eher von Kontinuitäten, als durch Brüche geprägt ist und Veränderungen sich zumeist über lange Zeiträume erstreckten. Nichtsdestotrotz war Lemgo 1848/49 ein Kristallisationspunkt demokratischer Bestrebungen im Fürstentum Lippe, die sich gegen autokratische Fürstenwillkür und die Eigenmächtigkeiten des Lemgoer Magistrates richteten. Soziale Aspekte spielten dabei eine wichtige Rolle. Die Bürger der Stadt organisierten sich gegen ihre Obrigkeit und bildeten eine Gegenöffentlichkeit, die teilweise auch auf vormoderne Instrumente des Bürgeraufstandes und Bürgerprotestes zurückgriff. Damit stand Lemgo dann doch wieder in der Tradition des "Rebellennestes", dass sich 1609 gegen seinen gräflichen Landesherren gewandt hatte, auch damals als Teil einer konfessionellen Bürgerbewegung gegen die herrschenden Familien in der Stadt.

Anlässlich der Paulskirchenverfassung von 1849 vor 175 Jahren sollen die nachfolgenden Informationen dazu dienen, die Erinnerung an diesen Teil der (lokalen) Demokratiegeschichte wachzuhalten und die quellenbasierte Auseinandersetzung damit zu befördern.

Neben einer recht umfassenden Quellenedition Hans Hoppes mit seiner thematischen Einleitung und einer namentlichen Übersicht der Lemgoer Stadtverordneten bis 1933, sollen auch Auszüge aus den Briefen des lippischen Kanzlers Friedrich Ernst Ballhorn-Rosen aus Detmold an seinen Sohn Georg in Konstantinopel dienen, insofern sie die Ereignisse in Lemgo 1848/49 beleuchten bzw. insofern Rosen davon privat oder beruflich erfuhr. Die Briefe zeigen die Perspektive des Bildungsbürgertums in der Residenzstadt auf die revolutionären Begebenheiten in Lemgo.

Drei Literaturlisten bieten hilfreiche Ergänzungen, die auf entsprechende Veröffentlichungen zum Thema "Revolution von 1848/49" verweisen, mit Schwerpunkt auf Lippe und Lemgo.

Hinzu kommt eine vorläufige Übersicht zu den Lemgoer Persönlichkeiten der Revolutionsphase von 1848/49 mit Quellenhinweisen, die sicherlich noch der Ergänzung und Überarbeitung bedarf.

Die beiden wichtigsten, periodischen Druckmedien der damaligen Zeit im Fürstentum Lippe - die prorevolutionäre-liberale Zeitung "Die Wage" (in Lemgo verlegt) und das antirevolutionäre-konservative "LIppische Volksblatt" (in Detmold verlegt) - wurden inzwischen auch durch die Lippische Landesbibliothek digitalisiert und online ins Netz gestellt. Die damaligen politischen und gesellschaftlichen Debatten spiegeln sich in diesen beiden Presseerzeugnissen wieder.

Lippisches Volksblatt = https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-8012

Die Wage = https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-6661

Hier noch zwei übergreifende Links zur Thematik: https://revolution-1848.de/ und https://demokratie-geschichte.de/.

"März 1848 - Eine Dokumentation des Lemgoer Stadtarchivs aus der Zeit" (o. D.) von Hans Hoppe (aus Stadtarchiv Lemgo NL 20/6)

Zur Dokumentation von Hans Hoppe

Die umfangreiche Quellendokumentation des ehem. Lemgoer Stadtarchivars Dr. Hans Hoppe über die Ereignisse 1848/49 in Lemgo in seinem Nachlass im Stadtarchiv (Bestand NL 20) wurde dazu digitalisiert und online ins Netz gestellt. Vermutlich entstand sie 1973 zum 125jährigen Jubiläum von "1848".

Hoppe fertigte zahlreiche maschinenschriftliche Abschriften bzw. Transkriptionen einschlägiger, handschriftlicher  Quellen aus den Beständen des Stadtarchivs an. Damit sind diese Quellen auch für Interessierte, die der deutschen Schreibschrift des 19. Jhds. nicht mächtig sind, nutzbar.

Die in der Quellendokumentation Hoppes angegebenen Quellensignaturen sind nach den heutigen, gültigen Bestellsignaturen des Stadtarchivs nachfolgend aufgeschlüsselt:

Vw 26 = A 10064

Vw 32 = A 10070

Vw 34 = A 10072

Vw 36 = A 10074

Vw 38 = A 10076

Vw 44 = A 10082

Vw 45 = A 10083

Vw 47 = A 10085

Vw 51 = A 10089

Mi 187 = A 5768

Mi 145 = A 5741

N 413 = A 413

Hoppe fertigte für seine Dokumentation ebenfalls eine eigene Einleitung an (siehe NL 20/06), die hier im Original-Wortlaut wiedergegeben ist. 

Außerdem erstellte er eine namentliche Übersicht zu den Lemgoer Stadtverordneten von 1843 bis 1933 (siehe NL 20/7).

Wiedergabe der Einleitung von Hans Hoppe (nach den Aufzeichnungen in seinem Nachlass im Stadtarchiv Lemgo)

Einführung

Die vorliegende Dokumentation erhebt weder den Anspruch der Vollständigkeit noch soll sie eine umfassende Darstellung der geschichtlichen Ereignisse des Jahres 1848 ersetzen, ja, nicht einmal für den begrenzten Raum der Stadt Lemgo - kann eine so hohe Zielsetzung erwartet werden. Das Jahr 1848 ist nichtsdestoweniger ein geschichtlicher Wendepunkt von gesellschaftlicher und politischer Bedeutung, und da diese Zeit noch so nahe liegt , daß die archivalischen Quellen genügend Auskunft über alle Lebensbereiche geben.

Wir haben die Möglichkeit, den faszinierenden Prozeß einer politischen Bewegung, einer "Revolution" - in allen Einzelheiten zu untersuchen und dabei mit der Distanz der Unbeteiligten den Ursachen der materiellen und geistigen Reaktionen nachzuspüren. Es ist nicht Aufgabe des Archivars, das Tableau einer Zeit, die epochale Gesamtschau zu entwickeln, in das die Ereignisse oder Symptome geschichtlicher Ereignisse einzuordnen sind. Er soll vielmehr die Voraussetzungen für historische Betrachtungen schaffen in dem Rahmen, der ihm durch das von ihm betraute Archiv vorgegeben ist. Seine Arbeit liegt auf einer anderen Ebene als die des Historikers, da er gewissermaßen das Rohmaterial der Forschung, die Dokumente, aufbereitet, ordnet und, wenn es möglich ist, in ihrer originären Form veröffentlicht und damit seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung oder besseren Erkenntnis der Vergangenheit leistet.

Diesem Ziel soll auch diese Arbeit dienen, indem ein kleines Teilgebiet, das quellenmäßig sich anbietet, herausgegriffen wurde u. als Anregung für den jungen Forscher gedacht ist. Die hier dargebotenen Quellen umfassen nur Akten des Lemgoer Stadtarchivs; für die geschichtliche Arbeit müssen sie ergänzt werden durch das Material fremder Archive, in erster Linie ist hier das Staatsarchiv Detmold zu nennen. Aber nicht einmal die Lemgoer Bestände sind erschöpfend wiedergegeben worden, lediglich die wenigen Tage, als die revolutionäre Bewegung ihrem dramatischen Höhepunkt erreicht hatte, sind mit chronologischer Genauigkeit zu erfassen versucht worden.... Es wäre eine reizvolle Aufgabe für die Dokumentation noch weitere historische Momente auszuwählen.

Die bürgerliche Revolution von 1848 in Lemgo und ihre Vorgeschichte

Das infolge des napoleonischen Krieges erwachte deutsche Nationalbewußtsein rief innerhalb der bürgerlich-städtischen Gesellschaft ein neues Gemeinschaftsverständnis hervor. Alte städtische Organisationsformen wie die Schützen-Compagnie wurden durch die Aufstellung des Landsturms seit 1816 in Frage gestellt. Der Landsturm ging aus dem Volksheergedanken hervor, wohingegen das Schützenwesen auf einem Privileg beruhte und nur von jenem Teil der Bürgerschaft getragen war, der im Rat die Gemeintherren stellte d.h. vorwiegend dem Kaufmannsstand angehörte. Die Vorsteher der Schützen beanspruchten die "Handhabung der inneren Polizei" einschließlich des Feuerschutzwesens, und dazu war ihrer Ansicht nach der Landsturm nicht geeignet, weil ihm auch "Gesellen und Dienstboten" angehörten. Auffassungen einer traditionellen Gesellschaftsordnung standen hier im Widerspruch zum demokratischen Gemeinschaftsgedanken.

Gegen das Jahr 1836 bahnte sich eine für den Zeitgeist charakteristische Wandlung an, als man nämlich das sog. Freischießen einführte, das im Gegensatz zum üblichen Vogelschießen nicht von der städtischen Schützen-Compagnie, sondern durch einen öffentlichen Aufruf veranstaltet wurde. Am Freischießen sollte jeder Bewohner Lemgos teilhaben dürfen; der erklärte Zweck dieses Festes war "Beförderung und Belebung des Gemeinsinnes." Man stellte voran als Motto ein von Sallust stammendes Wort: In Eintracht gedeihen kleine Werke, in Zwietracht gehen Große unter (Concordia parvae res crescunt discordia maximae dilabuntur). In die Begeisterung für das Freischießen wurden auch die behördlich organisierten Gesellschaften - Schützen-Compagnie von 1575 und die 1747 für angehende Bürger gegründete Junggesellen-Compagnie - hineingerissen, und so entstand aus dieser Bewegung ein Volksfest, das noch heute alle zwei Jahre gefeiert wird.

Im übrigen entwickelte sich die unpolitische Vereinstätigkeit des bürgerlichen 19. Jahrhunderts zuerst durch die Pflege des Volksliedes und Chorgesanges. Der Anstoß ging vom lippischen Lehrergesang aus, und fast zwangsläufig setzte sich das Erbe der Schule in der Bevölkerung fort. Besonders aufgeschlossen zeigten sich die Handwerker für den Chorgesang, und so erlebten die bereits verblaßten Zunfttraditionen im musischen Gewande eine romantische Renaissance. Schon 1836 trat ein sog. Lemgoischer Sängerverein mit Darbietungen aus Anlaß der Feierlichkeit zum Doktorjubiläum des Medizinalrats Focke am 6. März hervor. Äußerungen bürgerlichen Gemeinschaftsgeistes hatten also am Vorabend der Ereignisse von 1848 ihre Tradition und waren damals so unverdächtig, daß der keineswegs demokratisch gesonnene Lemgoer Magistrat unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Diedrich Moritz Petri für die erste Bürgerversammlung im Revolutionsjahr - am 8.März - das städtische Ballhaus(früher "Tanzhaus" genannt) zur Verfügung stellte. Stadtverordnetenvorsteher Dietrich Kracht und dessen Stellvertreter, Kaufmann Gustav Adolf Stockmeyer, hatten sich verbürgt, daß "alles in legaler Ordnung vor sich gehen und daß namentlich auch keine strafbaren Beschlüsse gefaßt würden..."

Nun war aber nach einer Periode freundlicher Eintrachtschwärmerei in den Dreißigerjahren das Bewußtsein für die harte Notwendigkeit politischer Reformen erwacht. Am Tage vor der besagten Bürgerversammlung im Ballhaus hatten vier Detmolder Bürger - unter ihnen der Advokat Karl Vette - in den Gasthöfen Eberhardt und Harke, beide vis-â-vis dem Rathaus gelegen, in aller Öffentlichkeit für einen Zug der Lemgoer Bürgerschaft nach Detmold geworben. Dort sollte dann am 12. März, einem Sonntag, dem Fürsten persönlich eine Petition überreicht werden. Die Atmosphäre der Residenzstadt war offenbar für ein solches Unternehmen nicht geeignet. Die Lemgoer Bürgerversammlung vom 8.März, von der die fürstliche Regierung in Detmold durch Bürgermeister Petri Kenntnis erhalten hatte, hatte zur Folge, daß der Magistrat schon am 9. März eine Proklamation in Händen hatte, durch die Fürst Leopold zur Lippe seine Bereitwilligkeit erklärte, auf die "in den letzten Tagen kund gewordenen wünsche" seiner "Geliebten Unterthanen" einzugehen. Obenan stand die Pressefreiheit, die bereits am 8. März, wie bekannt wurde, eingeführt worden war. Bürgermeister Petri zögerte nicht, die Nachricht von der fürstlichen Bekanntmachung in der Stadt durch gedruckte Handzettel auszustreuen und sprach zugleich die Hoffnung aus, daß "unsre Mitbürger sich dabei beruhigen und die Einreichung einer Petition nunmehr für unnöthig halten würden." Die Lemgoer schlossen sich mithin dem geplanten Zuge nicht an. 

Im ganzen gesehen nahm die Bewegung von 1848 im Fürstentum Lippe nur auf dem Lande sozialrevolutionären Charakter an, und es kam dabei auch zu Gewalttätigkeiten der besitzlosen bäuerlichen Bevölkerung gegen reiche Gutsleute. In der Stadt verhielt man sich im allgemeinen äußerst diszipliniert, obwohl auch hier die kleinen Ackerbürger infolge der Mißernte von 1846 mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Im Mai 1847 hatten die "Hude-Interessenten" einiger Bauerschaften (Stadtviertel) in aller Form gegen den Verkauf von gemeinem Hudeland beim Magistrat protestiert. Es handelte sich u.a. um Grundstücke an der Hamelner Chaussee, wo seit alters zu bestimmten Jahreszeiten das Vieh der Bürger weiden durfte. Ebenso wehrte man sich gegen ein angeblich zum Schutz des Waldes - möglicherweise wohl eher zum Schutz des Wildes und der Jagd - erlassenes Verbot des Streuholens oder Laubsammelns, wovon die kleinen Viehhalter ungleich schwerer betroffen waren als andere wohlhabende Bürger, die aufgrund ihres Landbesitzes über den Eigenbedarf hinaus sogar noch Stroh gegen Bezahlung abgeben konnten.

Alles dies hat für die Emotíonalisierung und Aktivierung einer größeren Anzahl von Bürgern für die Ziele der Demokratie seine Bedeutung gehabt. Doch den führenden Persönlichkeiten ging es um ein echtes Mitspracherecht in der Gemeindeverwaltung und um Anerkennung des politisch mündigen Bürgers. Die Bürgerversammlungen der Märztage des Jahres 1848 waren ins Leben gerufen worden, weil das nach der lippischen Städteordnung vom 16. März 1843 gewählte Stadtverordnetenkollegium sich in den vier Jahren seines Bestehens vergeblich um eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Magistrat bemüht hatte. Die Bürgermeister betrachteten den Magistrat als obrigkeitliches Organ der fürstlichen Regierung, ausgestattet mit autoritären Vollmachten. Das neu geschaffene Stadtparlament war in ihren Augen lediglich eine subalterne Institution, deren Kompetenzen sie nach Möglichkeit beschränkten z.B. dadurch, daß sie den Stadtverordneten wichtige Informationen vorenthielten. Die Magistratsherrschaft war auf einen familiär etablierten Kreis von Bürgern konzentriert und fühlte sich ausschließlich dem Fürstenhause verantwortlich, während das gemeine Wohl nur als schöne Redensart das Pflichtbewußtsein schmückte. Das geistige Erbe des Absolutismus war ein entscheidendes Hemmnis auf dem Wege zur Selbstverwaltung, die der preußische Staatsmann Freiherr vom Stein durch seine Städteordnung vom l9.November 1808 so verheißungsvoll eingeleitet hatte. Bemerkenswert ist das Urteil des Bürgermeistersohnes Hermann Petri über die gesellschaftlichen Verflechtungen innerhalb der Lemgoer Stadtverwaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er spricht von "argen Mißständen, weil eigentlich alle oder doch die meisten der maßgebenden Beamten untereinander verschwistert oder verschwägert waren." Und besonders bemerkenswert die anschließende Feststellung: "Wollte jemand ehrlich und gewissenhaft sein, so war es fast unvermeidlich, daß er mit den Privatinteressen der andern in Zwiespalt geriet."

Die Schubkraft der allgemein in ganz Europa herrschenden politischen Umbruchstimmung des Frühjahrs 1848 verschaffte auch in Lemgo den Bürgerversammlungen die Autorität der Volksmeinung, die den Stadtverordneten bis dahin gänzlich gefehlt hatte. In kurzen Abständen gingen jetzt dem Magistrat immer neue schriftliche Anträge oder "Petitionen" zu, die zumeist über vierzig Unterschriften bekannter Bürger trugen und sich in sehr selbstbewußter Sprache mit den verschiedensten Mißständen innerhalb der städtischen Verwaltung auseinandersetzten. Nur widerwillig, doch letzlich ratlos vor diesem ungeewöhnlichen Aufbegehren der sonst so ruhigen Untertanen, ging der Magistrat auf die Wünsche der Bürger ein und versäumte nicht, der Regierung fleißig über alle Vorgänge Bericht zu erstatten und dabei die angeblichen Gefahren für öffentliche Ordnung und Sicherheit an die Wand zu malen. Die Kritik an der Verwaltung richtete sich besonders gegen den Stadtsekretär Carl Albert Clemen und den Forstinspektor Ernst Rötteken. Am 26. März erzwangen die Bürger die Dienstenthebung Röttekens, der sich durch seine Tätigkeit als fürstlicher Jagdaufseher und speziell durch das jüngste Verbot des Knüvehauens (Knüve = Wurzelwerk gefällter Bäume) allgemein unbeliebt gemacht hatte. Die Amtsführung Clemens ist späterhin noch Gegenstand eines prozessualen Verfahrens gewesen.  

Am 30. März 1848 erhielt der Magistrat von der Bürgerversammlung die Aufforderung, die Selbstauflösung des Stadtverordnetenkollegiums zu veranlassen und Neuwahlen in die Wege zu leiten. Zur Begründung wurden drei Punkte genannt. Das Kollegium habe erstens nicht die "wünschenswerte Energie entwickelt", zum andern sei mit der Bewilligung von Gehaltszulagen für Beamte zu "splendid" verfahren worden und schließlich halte man eine Regeneration für dringend notwendig, damit man nicht "von der Zeit überflügelt" werde. Fünf Stadtverordnete, die an allen Aktivitäten des "Bürgervereins" beteiligt waren, hatten die Petition mit unterzeichnet. Mehrere Stadtverordneten lehnten die Selbstauflösung ab. Doch schon bald legten einige ihr Mandat demonstrativ nieder, die übrigen sahen sich unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit gezwungen, im Laufe des Monats April - wenn auch unter Protest - ebenfalls zurückzutreten. Die Regierung erklärte am 2.Mai die Verfügung der Selbstauflösung zwar gesetzlich für unzulässig, doch wagte sie nicht dagegen vorzugehen, sondern wehrte den Schein der Autorität, indem sie "mit höchst gnädiger Genehmigung" einzelnen Stadtverordneten formal den Austritt gestattete. Der Magistrat wurde beauftragt, "für die Austretenden eine neue wahl mit Beachtung der bestehenden gesetzlichen Vorschriften baldigst anzuordnen." Die demokratische Bewegung hatte einen wichtigen Sieg errungen, vor allem hatte sie dem Magistrat erstmalig das Gesetz ihres Handelns auferlegt. Bis zur Neuwahl wurde ein "Bürgerausschuß" gebildet, dessen Mitglieder sich in einer programmatischen Erklärung als "Repräsentanten der Stadt" vorstellten: "Der Wille der Bürgerschaft - und dies ist das einzige von uns anerkannte Gesetz ~ betrachtet den Magistrat nur als "... executive Behörde der Stadt." Dies war einer der Kernsätze des an den Magistrat gerichteten Schreibens vom 10. Mai, und damit setzten die Verfasser - G.A.Stockmeyer, G.A.wolff und Th.Heynemann - ein deutliches Zeichen der liberalen Unabhängigkeit für das zu wählende Stadtparlament.

Der "Literat" Gustav Adolf Wolff (1819 - 1878) gab seit dem 25. März 1848 zusammen mit Karl Vette und dem Detmolder Gymnasiallehrer Karl Volckhausen, die erste lippische Tageszeitung DIE WAGE heraus, gedruckt von F. L. Wagener in Lemgo. Die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung trat gegen die regierungsfreundlichen "Vaterländischen Blätter" auf, die 1843 das "Lippische Magazin für vaterländische Cultur und Gemeinwohl" abgelöst hatten. Eine heftige Pressefehde entbrannte, als vom 28.September 1848 an im Detmolder, früher Lemgoer Verlag Meyer das "Lippische Volksblatt" erschien und die Partei der Konservativen ergriff.

Die Neuwahlen der Lemgoer Stadtverordneten und deren Stellvertreter fanden vom 19. Mai 1848 an statt. Sie ergaben ein überzeugendes Votum für die Männer des Bürgerausschusses. Die Folge war, daß nunmehr die Stadtverordneten und der Bürgerverein gemeinsam auf eine Neubesetzung des Magistrats hinarbeiteten. Aber ein Zwischenfall, der später zu den sog. "Lemgoer Unruhen" aufgebauscht wurde, gab dem Magistrat die willkommene Handhabe, bei der Regierung um Intervention zu ersuchen.

Am 3. Juni 1848 versammelte sich die Bürgerschaft, nachdem in üblicher Weise durch Trommeln und Hornsignale dazu öffentlich aufgefordert worden war, auf dem Saal des Ballhauses, diesmal, um gegen die Besetzung der Kammerdienerstelle zu protestieren. Man schickte eine Delegation aus der Versammlung zum Rathaus mit den entsprechenden Anträgen. Dabei konnte nicht verhindert werden, daß eine größere Menschenmenge mit ins Ratszimmer eindrang und dort eine mehr oder weniger störende Unruhe verursachte; zu Tätlichkeiten hatte sich aber niemand hinreißen lassen. Am gleichen Tage war es vor dem Hause des Bürgermeisters Petri zu einem erregten Auftritt von Bürgern, die mit dem Bürgermeister sprechen wollten, gekommen. Die Mitglieder des Magistrats fühlten sich aufs höchste bedroht durch das "verbotswidrige Verweilen" in der Ratsstube; als unstatthaft wurde auch das "Alarmieren der Bürgerschaft" mit Trommeln und Hornblasen bezeichnet. Demgemäß ordnete die Regierung eine Untersuchung der Vorgänge an und bedeutete dem Lemgoer Magistrat, sich keinesfalls auf Verhandlungen mit dem sog. Bürgerverein einzulassen, der eine "ganz unzulässige Autorität usurpiert habe." Die Angelegenheit wurde dem Landeskriminalamt zur weiteren Untersuchung übergeben.

Während die Demokraten bisher stets die Hoffnung hegten, bei der Landesherrschaft Verständnis und Gehör für ihre Reformwünsche zu finden, sahen sie sich nunmehr genötigt, auf die Linie der deutschen Republikaner einzuschwenken: "wenn uns die Regierung nicht besser schützt, muß auch die Regierung fallen!" verkündete die WAGE am 23.September 1848.

Inzwischen hatte die Regierung in Detmold die von der Frankfurter Nationalversammlung geforderte Beseitigung der Kleinstaaterei (Mediatisierung) zum Anlaß genommen, die patriotischen Gefühle der lippischen Bevölkerung für die Erhaltung des Fürstenhauses und gegen den Verlust der territorialen Selbständigkeit zu mobilisierenÄ9 Aber die Lemgoer Stadtverordneten richteten eine "Adresse an die National-Versammlung", in der sie sich grundsätzlich für die Mediatisierung Lippes aussprachen, wenngleich sie den Anschluß an irgendein Nachbarland ablehnten. Mit anderen Worten, man war für die Integration in ein national geeintes Deutschland.

Im Januar 1849, also geraume Zeit nach den ursächlichen Ereignissen, ließ die Regierung die angeblichen Anstifter der "Lemgoer Unruhen" mit einem demonstrativen Aufgebot an Militär verhaften. Darüber erregten sich die Gemüter von neuem, und einige Heißsporne in dem kürzlich gegründeten "Volksverein" kamen auf die Idee, die Freilassung der politischen Märtyrer durch einen Marsch auf Detmold zu erzwingen. Die Anführer des Zuges hatten nichts anderes im Sinne, als dem Fürsten eine Massenpetition zu überbringen; Gewaltmaßnahmen waren keineswegs beabsichtigt. So kam es denn auch nicht zu spektakulären Begleiterscheinungen, immerhin machte das Unternehmen einen nicht geringen Eindruck auf den Fürsten. So bewahrte man im Schloß zu Detmold die Ruhe und zeigte sich konziliant, und letzten Endes konnten die etwa 400 Protestierer, die wohl auch inzwischen ein wenig müde vom langen Weg sein mochten, ohne besondere Umstände mit sanftem Nachdruck von der alarmierten Detmolder Bürgerwehr zum Lemgoer Tor hinausbugsiert werden.

Lange Zeit mochte die Detmolder Regierung sich nicht zu einem Verbot der WAGE entschließen, da sie unter allen Umständen den Anschein ungesetzlichen Handelns vermeiden wo1lte. Sie griff stattdessen die Redakteure persönlich und gerichtlich an, wann immer sich dazu die Gelegenheit bot. Schon im August 1848 mußte der Gymnasiallehrer Volckhausen seine Mitarbeit aufkündigen, weil ihm die oberste Schulbehörde ein Berufsverbot in Aussicht gestellt hatte, falls er sich weiterhin wie bisher politisch engagieren würde. Sein Nachfolger, Otto Dresel, konnte sich einer zweijährigen Zuchthausstrafe, die ihm eine allzu freisinnige Glosse in der WAGE eingebracht hatte, nur durch die Flucht nach Amerika entziehen. Auch G. A. Wolff wurde ein Opfer der überaus strengen Gesetzesanwendung durch das fürstliche Kriminalgericht. Als Stadtverordneter hatte er nebenher noch den Vorsitz im Volksverein bzw. "Demokratischen Bürgerverein" beibehalten und sollte Ende 1849 zum Magistratsbeisitzer vorgeschlagen werden. Doch vereitelte ein ihm angehängtes Verfahren wegen "Preßvergehens" die Kandidatur. Er verließ seine Heimat und beendete seine journalistische Laufbahn als Redakteur bei der "Rheinischen Zeitung" in Düsseldorf und Köln. Nachdem endlich auch Karl Vette aus der Redaktion der W A G E ausgetreten war, führte der Verleger Wagener seine Zeitung allein weiter, und durch ihn kam Lemgo, als Preußen die dortige Presse mit Restriktionen belegte, vorübergehend zu dem ehrenvollen Ruf eines Zufluchtsortes freier Meinungsäußerung. Der demokratische Bielefelder "Volksfreund" und der Herforder "Bote für Stadt und Land" wichen auf das benachbarte Lippe aus und ließen bei Wagener in Lemgo drucken.

Übrigens hat eine traditionelle Animosität zwischen den Detmoldern und Lemgoern, die heutzutage tabu zu sein scheint, ihren unzweifelhaften Ursprung in den Ereignissen von 1848. Im ganzen dauerte der liberale Lemgoer Frühling nur knappe vier Jahre. Die W A G E wurde 1852 verboten, und es folgte die Zeit patriotischer Heimatberichterstattung. Von Detmold her wehte lange Zeit ein recht kühler, reaktionärer Wind. Die nachrevolutionäre Epoche wurde in Lippe beherrscht von den zentralistischen Ansprüchen der fürstlichen Administration. Lemgos traditionsreiche wirtschaftliche Mittelpunktsfunktion
ging in dem Maße verloren, wie das Fürstentum sich mit seinen kleinstaatlichen Strukturvorstellungen in ein idyllisches Abseits hineinmanövrierte. Sicherlich hatten sich die Lemgoer Bürger von 1848 eine andere Zukunft erträumt...

"Welch tolle Zeiten erleben wir!" - Auszüge aus den Briefen des lippischen Kanzlers Friedrich Ernst Ballhorn-Rosen an seinen Sohn Georg in Konstantinopel zu den Ereignissen in Lemgo 1848/49

Brief vom 10. April 1848

„In Lemgo haben die Bürger ihren Forstinspector Rötteken abgesetzt und sie dringen jetzt auch auf die Absetzung ihres Stadtsecretairs, Clemen. Ueberhaupt ist die Idee im Volke erweckt, daß die Angestellten zu hohe Gehalte oder sonstige Emolumente”” hätten. Die Prediger sollen, nach Meinung der Leute, nicht mehr denn etwa 400-500 Rth. haben. Am Ende wird’s zu sehr bedeutenden Einschränkungen allerdings kommen müssen. Denn das Geld mangelt allenthalben.“

Friedrich Ernst August Rétteken, Forstinspektor in Lemgo, *Lemgo 1.5.1794, +Lemgo 28.5.1875, war Leutnant, Stadtrendant und Forstinspektor in Lemgo.

Carl Albert Clemen, Advokat und Stadtsekretar in Lemgo, *Lemgo 21.10.1795, +Lemgo 17.11.1874, war verheiratet mit Emilie Rötteken.

Emolumente = Vorteile, Nebeneinkünfte.

Brief vom 19. Mai 1848

„In unseren öffentlichen Verhältnissen zeigt sich noch keine Verbesserung. In Lemgo ist die Gesetzwidrigkeit förmlich organisirt. Es hat sich da unter dem Namen „Bürgerversammlung“ ein die Volkssouverainität handhabender hoher Rath gebildet, der sich zu einem Gerichte über das Verhalten der Behörde constituirt hat. Die Citoyens kommen Abends in einem Gasthofszimmer zusammen und unterhalten sich über die in Amt und Würden stehenden Leute. Was irgend einer derselben einmal peccirt hat, wird dort — natürlich mit Uebertreibung — ausgekramt. Ist den Beisitzern das Betragen irgend Jemandes verdächtig, so laden sie ihn ein, einmal in ihrer Mitte zu erscheinen und Auskunft zu ertheilen. Kommt er nicht, so heißts: „Wi willt'n mal hahlen!“ und gleich gehen etwa 10-20 hin und hohlen ihn. Deines Freundes Schröter Vater” ist auf diese Art „gehahlt“. Andere, um das „gehahlt weren“ zu vermeiden folgen doch lieber der Einladung. So soll kürzlich der Bürgermeister Petri daselbst haben erscheinen müssen. Er findet die Versammlung im Kreise herum sitzend mit den Hüten auf dem Kopfe. Er, in der Meinung, man habe dort die Synagogensitte, setzt auch seinen Hut auf. Allein gleich wird gerufen „Hut ab!“. Er muß folgen und der Versammlung die begehrte Auskunft ertheilen. - In einer dieser Versammlungen hat der Advokat v. Sode, ein arger Revolutionist, sämmtliche Mitglieder des Magistrats für Spitzbuben erklärt. Das hat der Magistrat nun der Regierung angezeigt und gebeten, daß unserm Criminalgerichte die desfallsige Untersuchung aufgetragen werde. Dieses ist geschehen und wir haben die Untersuchung eingeleitet. Ob uns die Regierung aber auch (physische) Kräfte gewähren wird, die Untersuchung durchzuführen, das ist noch eine große Frage.“

Friedrich Wilhelm Schröter, Kaufmann in Lemgo, *Lemgo 26.12.1787, +Lemgo 17.8.1865, Vater des Amtmanns Albert Schröter (1818-1877), seit 1817 verheiratet mit Margerethe Louisa Kracht (1797-1847).

Dietrich Moritz Petri, Bürgermeister in Lemgo, *Lemgo 21.1.1782, +Lemgo 9.11.1863, ein Bruder des Detmolder Regierungspräsidenten Friedrich Simon Leopold Petri. Er wurde 1806 Amtsauditor, 1810 Syndikus in Lage. Von 1821-1851 war er erster Bürgermeister in Lemgo. Er war verheiratet mit Charlotte Elisabeth Clemen (1789-1826), einer Schwester des Lemgoer Pastors Hermann Friedrich Ferdinand Clemen (1805-1842).

Wilhelm von Sode, Advokat und Stadtverordneter in Lemgo, * ?, + ?, war 1848 einer der Vorsitzenden des Bürgerausschusses. 1850 heiratete er Henriette, geb. Medel, verwitwete Rausch, die ihm schon 1849 einen Sohn geboren hatte.

Brief vom 2. Juli 1848

„Nach Lemgo ist jezt ein fürstlicher Commissar in der Person des Rath Meyer, des Rodewaldschen Schwiegersohns, zur Untersuchung der dort herrschenden Unordnungen geschickt. Das Criminalgericht hat dadurch eine bedeutende Erleichterung bekommen, indem es jenen Commissar nun mit der Abhörung von Zeugen in loco beauftragen kann. Leider scheinen bei dem ancien régime in Lemgo viele Mißbräuche statt gefunden zu haben, welche den unruhigen Bürgern jezt zur Entschuldigung ihrer Frevel dienen müssen!“

Brief vom 9. Juli 1848

„Der Rath Meyer hat in Lemgo Viel zu thun. Seine Untersuchung des städtischen Verwaltungswesens in Lemgo hat ergeben, daß die Einwohner Lemgos über die im Magistrate statt gefundenen Unordnungen sehr große Ursache zu klagen gehabt haben. Freilich wird damit der Aufruhr der Bürger nicht gerechtfertigt, aber doch bedeutend entschuldiget. Die große Fruchtbarkeit des Jahres wird auch der Noth bedeutend abhelfen. - Seit 15 Jahren hat man hier nicht so geringe Getreidepreise gehabt als jezt.“

Brief vom 3. Dezember 1848

„Man braucht also hier noch nicht die Albernheiten zu fürchten, welche die Stadt-Abgeordneten Lemgo’s in ihren Versammlungen wöchentlich begehen, und welche das lippische Volksblatt in comischer Worttreue, zum ärgsten Ärger der Redner, dem auswärtigen Publicum mittheilt, das nicht Gelegenheit hat, die Schwelle des Versammlungslocals zu betreten.“

Brief vom 17. Dezember 1848

„Die Stadtverordneten zu Lemgo, welche der Teufel noch immer reitet, haben in einer Adresse an die Nationalversammlung zu Frankfurt den Wunsch ausgesprochen „reichsunmittelbar“ zu werden. Wie sie das verstanden haben mögen, ist mir unbegreiflich. Ob sie damit auf den Zustand zielen, in welchem sich vor 50 Jahren die kleinen Reichsstädte oder Reichsflecken befanden? Das wäre denn doch ein Particularismus ganz eigener Art. Sie würden dann ein deutsches Staatlein für sich ausmachen, eine reichsunmittelbare Republik, halb so groß als die Republik San Marino. - Einer der Herren Stadtverordneten, der Advokat v. Sode ist, wegen Beleidigung des Magistrats zu Lemgo, von uns zu einer 14 tägigen Gefängnisstrafe verurtheilt. Er läßt sich jezt noch einmal vertheidigen; allein ich glaube, daß das Erkenntnis bestätiget werden wird, weil er den wichtigsten Defensionsgrund, daß er nämlich tempore delicti total besoffen gewesen sey, zu gebrauchen sich scheuet.“

Brief vom 28. Januar 1849

„Als am Sonnabend vor 8 Tagen die Nachricht hier ankam, daß das Volk zu Lemgo beschlossen habe, den folgenden Tag einen Zug hierher zu unternehmen, um die beiden s.g. politischen Gefangenen zu befreien (deren Verbrechen aber eigentlich darin bestanden, daß sie, in Verbindung mit mehreren Anderen, Häuser friedlicher Bürger gestürmt und die Bewohner vor das Tribunal ihrer Versammlung geschleppt hatten) dachte ich, mir sey zunächst der Besuch zugedacht, weil das Erkenntnis ja vom Criminalgerichte ausgesprochen und von mir unterschrieben war. Ich war deswegen schon — gegen meine Gewohnheit - seit 9 Uhr völlig angekleidet und erwartete ruhig was da kommen sollte oder wollte. Bis 12 Uhr erfuhr man jedoch Nichts. Doch kamen etwa um 1 Uhr einige Nachrichten vom Herzuge vieler Menschen, über Lage her, an. Um 2 Uhr ging ich meinen gewohnten Weg zum Zeitungstische. Da sah ich denn schon vor dem Schloßplatze einen gedrängten Haufen, den man - die Neugierigen miteingerechnet, wohl auf 800 Mann anschlagen konnte. Auf der Ressource sah man das Ding als bedenklich an. Besonders war der Wirth, Brokmann bedauert. Der Brave hatte für den Sonntag Abend auf eine Gesellschaft von etwa 100 Personen gerechnet und köstliche Speisen bereiten lassen. Er sah nun schon klar vor Augen, daß aus der Fete nichts werden könne. Man hörte das Gemurmel der Menschen, welches oft in Geschrei ausartete. Bauern der schäbigsten Art, mit dicken Stöcken auf der Schulter, kamen als Zuzügler nach. Die Kerle, besonders die Hasenbrut aus Lemgo, sahen aus, wie ich mir die Märzhelden aus Berlin denke, eben so lumpig, eben so versoffen. – Man erfuhr nun bald, daß die Leute unter der Anführung der bekannten Lemgoischen Vereinstifter, v. Sode, Dr. Leizmann, Literat Wolff, Müller Bünte u.a. gekommen seyen, um dem Fürsten eine s.g. Sturmpetition zu überreichen, in welcher sie höflichst um Befreiung der Verhafteten und Amnestie in Beziehung auf alle verurtheilten Unruhemacher im Lande antrugen. Zwei jener Herren, Wolff und Bünte, gingen aufs Schloß, die Schrift zu übergeben und mit ihrer Beredtsamkeit zu unterstützen. Die Verhandlung mogte lange dauern, weil der Fürst die Deputirten nicht vorließ. Diese zogen denn wieder zurück zu dem Haufen, welcher vor dem Schlosse gegen die versperrte Gitterthür andrängte.  Sie brachten ihren Committenten die Nachricht, daß der Fürst ohne das Gutachten der Regierung und des Criminalgerichts Nichts thun werde. Nun wurde die Menge wüthend und tobte wieder mit den Prügeln gegen die Gitter, fluchte auch auf seine Führer, welche sie nach Detmold hinge“toppelt“ hätten und erklärte diesen, nicht eher abziehen zu wollen, als bis die Gefangenen ausgeliefert würden. Die Soldaten waren angewiesen, sich hinter dem Gitter zu halten. Die Schildwache blieb auf den Posten vor der Gitterthür. Als einer der Helden aber dem Soldaten sein Gewehr anfaßte, um es ihm zu entwinden, gab er dem Angreifer mit dem Bajonett einen Schlag über den Kopf, so daß er gleich zusammenstürzte und dieser wurde nun gleich von ein paar andern Soldaten gepackt und in die Wache geschleppt. Eben so wurden noch zwei Andere, welche eindringen wollten ergriffen und in Sicherheit gebracht. So mogte es bis halb 4 Uhr gedauert haben als der Fürst den Bürgermeister” auffordern ließ, die Bürgerwehr in Thätigkeit zu setzen. Sogleich ging die Lärmtrommel durch die Stadt. Die Wehrmänner versammelten sich schnell vor dem Hause ihres Feldherrn und kaum war eine kleine halbe Stunde verflossen, als Helwing mit etwa 200 Mann die Lange Straße heraufzog, er und sein Adjutant, Gelhaus, in Uniform zu Pferde, die Bürger in ihren Sonntagskleidern. Es sah aus, als ob sie zur Parade marschirten. Der Zug ging durch die tobende Menge, welche Platz machte, aber nur zu beiden Seiten auswich. Helwing forderte sie vergeblich zur Ruhe und zum Auseinandergehen auf. Er zog bis zum Thore und kam eben so wieder zurück. Nichts war bewirkt. Allein auf dem Markte angelangt, wurde ein ernsthafteres Manoever beschlossen. Die Bürgerschaft dehnte ihre Glieder weiter aus und marschirte um etwa 20 Mann hoch, so daß der ganze Raum zwischen den Häuserreihen ausgefüllt wurde, die ersten beiden Glieder mit gefälltem Bajonett, wieder auf die Helden zu, die nun lange, lange Beine machten. Sie wurden bis zum Thore hinaus verfolgt. Die Straße wurde da durch eine Bajonettreihe abgesperrt. Eben so ging’s denn auch wieder bis an das Rathaus zurück, wo wieder abgesperrt wurde. Der Kriegsschauplatz blieb nun völlig leer, und da jezt auch Wehrmann-Patrouillen durch die übrigen Straßen zogen, sah man um 6 Uhr keine Spur mehr von dem Lärmen. Die Damen blieben freilich von der Ressourcen-Féte weg; aber die Herren, unter denen auch ich, nahmen ein sehr legitimistisches Abendessen ein und ließen den Feldherrn, Helwing, hochleben. — Venit, vidit, vicit! - Somit von dieser Begebenheit, die meinem Freunde Reschid Pascha als eine Batrachomyomachie vorkommen wird, weil er die Geographie noch nicht mikroskopisch genug - ä la Ehrenberg - betrieben hat! Das Schlimme für mich ist nun dabei, oder davon, daß untersucht werden muß. La justici informe und die Justicia ist leider Dein Vater mit seinen Beisitzern. - Die 3 zuerst arretirten Kerle haben wir bereits wieder auf freien Fuß gesezt. Ihre Vergehen stehen schon fest. Aber die Anstifter, die Autores intellectuales des Unfugs, sind schwer zu überführen. Literatus Wolff und Bünte wurden am Donnerstage vernommen und — umfür den folgenden Tag Collusionen zu verhüten — auf die Hauptwache gebracht. Am folgenden Tage kamen 4 andere zum Verhör, v. Sode, Dr. Leizmann, Apotheker Heynemann und Kaufmann Tintelnot. Alle waren einstimmig darin, daß sie nur aus Furcht vor Mißhandlungen sich dem Zuge angeschlossen und die Uebergabe der „Sturmpetition“ übernommen haben. Credat Judaeus apella! Aber vorerst haben sie doch wieder frei gegeben werden müssen. - Die Untersuchung wird ein Resultat haben; aber kein befriedigendes.“

„Froschmäusekrieg“, ein griechisches Kleinepos als Parodie der Ilias.

Horaz, Satiren 15,100. „Das soll der Jude Apella glauben, (ich nicht.)“

Brief vom 4. Februar 1849

„Unsere Lärmerei vom 21sten vorigen Monaths, die große Helwingsschlacht, ist noch immer der Gegenstand der Unterhaltung in den Gesellschaften. Theils ist es die Criminaluntersuchung, welche die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich zieht und von deren Ergebnissen alle Lipper unendlich mehr wissen, als, leider, unsere bis jezt noch sehr unvollkommenen Acten; - denn von den eigentlichen, den intellectuellen Urhebern des Scandals ist noch so gut als Nichtsjuristisch ermittelt; — theils ergötzt uns hier die Vergleichung der Wirklichkeit, des wirklich hier unter unsern Augen Vorgefallenen, mit der Historie, welche die Zeitungsschreiber daraus gemacht und noch immer machen. Da kann man recht im Kleinen sehen, was überhaupt Geschichte ist! Nicht eine einzige der Zeitungsnachrichten über unsere Begebenheit ist richtig. Am auffallendsten ist aber die, offenbar absichtliche, Entstellung der Wahrheit in der s.g. Neuen Rheinischen Zeitung.’ Der Artikel rührt, wie man sagt, von Ferdinand Weerth’” her, dessen Bruder, Georg Weerth früher Mitredacteur des Blattes war. Hier wird erzählt, ein paar brave Bürger von Lemgo, welche sich Aeußerungen entfallen lassen, die höhern Orts unangenehm gewesen, seyen plötzlich des Nachts von 10 Gendarmen aus ihren Betten gehohlt, geknebelt und nach Detmold geführt. Das habe die Bevölkerung Lemgos und der Umgegend empört und 10,000 Mann seyen von da nach Detmold gerückt, um dem Fürsten eine desfallsige Vorstellung zu überreichen. Der Fürst habe aber die Deputation nicht vorgelassen. Darüber seyen die Leute sehr unruhig geworden und es habe Unordnungen gegeben, als plötzlich das Militair eingeschritten und ein Gemetzel entstanden sey. Zwei Todte und viele Verwundete habe man zu beklagen. Die braven Freiheitskämpfer hätten sich zurückziehen müssen; aber man sehe mit Bangigkeit der ernsthaft drohenden Zukunft entgegen. - Auf solche Weise wird durch lügenhafte Berichte der Geist der Unruhe genährt, welcher in Deutschland noch immer spukt und in der That, trotz der jezt waltenden Kraft, noch immer drohet.“

Brief vom 11. März 1849

„Von unserm Militair werden, wegen Ueberfüllung der hiesigen Quartiere in nächster Woche 400  Mann nach Lemgo verlegt. Die dortigen Philister werden das als eine Erwiderung des Besuchs ansehen, welchen sie uns vor 6 Wochen machten. Gemeint ist’s aber so nicht, wiewohl vielleicht damit auch Etwas zur Beruhigung der dortigen Aufregungen beigetragen werden kann.“

Brief vom 20. Mai 1849

„Wir haben beim Criminal Gericht jezt auch seit ein paar Tagen eine Art von Untersuchung gegen die Redaction der Wage, welche in einem hämischen Artikel den Fürsten und die „Hofcamarilla“ wegen der Wahl Eschenburgs zum Auditeur, sich eines Majestätsverbrechens schuldig gemacht haben soll. In der That wird darin auf den Fürsten, als auf einen ganz willkürlichen Regenten gezielt, der sich von seinen Schranzen und Damen lenken lasse.‘ Diese Sache kann ebenfalls schlimm werden. Videbimus! - Der Literat Wolf in Lemgo ist wegen eines aufrührischen und beleidigenden Aufsatzes in einem von ihm redigirten Biatte „Der Volksfreund“ in erster Instanz zu 8 Monath Zwangsarbeit verurtheilt. Unser Gesetzbuch schreibt nämlich auch vor, die Beleidigungen auswärtiger, mit unserm Hause  befreundeter Fürsten zu untersuchen und zu bestrafen.“

Brief vom 7. Oktober 1849

„Einige Zahmheit scheint sich eingestellt zu haben seit die Regierung den Antrag auf Amnestie der politischen Verbrechen und auf Sistirung der Untersuchungen wegen derselben bis zur Constituirung der Schwurgerichte nicht genehmiget, auch das Criminalgericht gegen Herrn Dresel ein hartes Urtheil ausgesprochen hat. Letzterer ist noch nicht gefunden und er wird mit Steckbriefen verfolgt. Der Mitredacteur der Wage, der mit ihm in pari reatu ist, Dr. Leizmann, sitzt als Abgeordneter in der Standeversammlung. Da er sein Domizil in Lemgo hat, wird das dortige Criminalgericht, soweit ihn seine jetzige Stellung nicht schützt, die Untersuchung gegen ihn eröffnen müssen. Das scheint aber sich in die Länge zu ziehen.“

Brief vom 7. April 1850

„Hier zu Lande scheint eine der Hauptwirkungen der Revolution sich in der zunehmenden Sichtbarkeit der kirchlichen Spaltungen geltend zu machen. Man wird hier, neben unverhohlenen Indifferentisten, Rationalisten, Orthodoxen und Pietisten noch die Enthusiasten, d. s. die Gemeinden zu befahren haben, die von Missionairs aus dem Wupperthale beschickt werden. Diese thun den Orthodoxen und den Pietisten am Meisten Abbruch, indem sie den frommen Seelsorgern ihre Schafe ganz abspänstig machen. Aus dem ganzen Fürstenthum ziehen jetzt sonntäglich die Frommen, denen ihre Prediger nicht mehr fromm genug sind, zu dem Pastor Steffan in die Bretterkirche zu Lemgo. Ein dortiger Prediger, der Revolutions-Pastor — so wird er genannt - Kuhlemann, hat im ganzen vorigen Jahre keine einzige Copulation gehabt und nur etwa 10 Communicanten. Die pietistischen Prediger sind, obgleich sie Steffans Ankunft und Aufnahme in Lemgo ganz vorzüglich befördert haben, jezt so gegen ihn erbittert, daß sie ihn sogar mit Aufsätzen in unsern Journalen angreifen. Da er aber gar nicht lieset, wenigstens keine Journale, so bekümmert ihn das wenig und er zieht von einer pietistischen Gemeinde zu der anderen, um da, vor der Nase ihrer Seelsorger, Betstunden zu halten, um so ein noch wahreres Christenthum zu verbreiten, als Jene gelehrt haben.“

Emil Johann Heinrich Steffan, pietistischer Geistlicher, *Barmen 24.2.1814, +Bethel 6.1.1905, wuchs in Lemgo auf, studierte in Greifswald und war in Mecklenburg und Lübeck Hauslehrer. 1845 wurde er Hilfsprediger in Minden und hielt auf dem Land Bibelstunden. 1849 trat er die Pfarrstelle der neuen Gemeinde in Lemgo an und hielt am 5.August seine Einführungspredigt in einer großen  Stiftsscheune. Seine Tätigkeit als Agent der evangelischen Gesellschaft in Lippe brachte ihm eine große Zahl von Laienanhängern, machte ihn aber bei seinen Kollegen recht unbeliebt. 1854 zog er nach Berlin.

Rudolf Kulemann, Pastor in Lemgo, *Lemgo 11.9.1811, +Dresden 21.6.1889, war von 1848 an Pastor in St. Marien in Lemgo. Als Demokrat geriet er in scharfe Auseinandersetzung mit seiner Gemeinde, was 1849 zur Spaltung und zur Gründung der neuen Gemeinde führte. Kulemann war bis 1851 auch Abgeordneter des lippischen Landtages. Nachdem er den Huldigungseid auf Leopold III. verweigert hatte, schied er aus dem Landtag aus. Als das Konsistorium seine Amtsenthebung als Pastor forderte, ließ er sich 1857 pensionieren und lebte fortan als Dichter und Schriftsteller in Berlin.

Brief vom 30. Juni 1850

„Der Demagog Woltf aus Lemgo, welcher hier noch 2 Monathe Gefängnisstrafe abzubüßen hat, ist indessen vom Lemgoischen Stadtgerichte in einer andern Untersuchungssache wegen Beleidigung des Königs von Preußen noch mit einer neunmonathigen Zwangsarbeitsstrafe belegt. Dieses Erkenntnis ist ihm gestern in seinem Gefängnisse eröffnet. Er wird sich dagegen vertheidigen lassen. Die Acten kenne ich aber noch nicht, sodaß ich über den möglichen Erfolg der weitern Vertheidigung noch Nichts prognosticiren kann.“

Die Zitate wurden der Veröffentlichung "Welch tolle Zeiten erleben wir!" Die Briefe des lippischen Kanzlers Friedrich Ernst Ballhorn-Rosen an seinen Sohn Georg inKonstantinopel 1847–1851, bearb. v. Agnes Stache-Weiske, Detmold 1999 entnommen.

Lemgoer Persönlichkeiten in der Revolution von 1848/49 (biographische Skizzen, nicht abgeschlossen)

Theodor Heynemann (1813 - 1881)

Ratsapotheker (geb. 19.09.1813 - gest. 13.04.1881), Bürger 19.04.1842, verheiratet mit Ernestine Arnoldine Marie (Tochter des königlich-preußischen Hauptmanns Reuschel zu Meschede), Sohn: Karl Heynemann (geb. 11.04.1848 - gest. ?), Teilnehmer am Zug nach Detmold, vgl. LAV NRW Abt. OWL L 86 Nr. 1783 Heynemann, Theodor, Apotheker in Lemgo - hatte als Vorsitzender der Stadtverordneten eine Eingabe an die Regierung gerichtet und darin den Bürgermeister Petri beleidigt. Es kommt dabei der nach Lemgo berufene reformierte Prediger Steffen in Detmold in Betracht; Nachwehen von 1848. Gutachten der Juristen Fakultäten, 1850.

Gustav Adolf Stockmeyer (1815 - ?)

Kaufmann (A 5167 Konkursakte, 1849) Bürger, 9.10.1838, (geb. 24.04.1815 Lemgo - gest.?, Genealogische Sammelmappe zur Familie Stockmeyer.

Friedrich Wilhelm Tintelnot (1808 - 1877)

Kaufmann (Kolonialwaren-Großhandel), Bürger, 25.03.1834 (geb. 31.03.1808 Bega - gest. 31.03.1877 Lemgo), 1832 Heirat mit Margarethe Marie Juliane Remmert aus Bielefeld (geb. 10.06.1812 - gest. 24.07.1878), A 3113 Fr. Wilh. Tintelnot gegen Krameramt betr. Verweigerung der Aufnahme (T 102) 1834; Teilnehmer am Zug nach Detmold.

Heinrich Ludwig (Louis) Bunte (1813 - 1885)

Erbpächter der Neuen Mühle (geb. 11.4.1813 Lemgo - gest. 21.11.1885 Lemgo), vgl. Stadtarchiv Lemgo NL 1 Heinrich Ludwig Bunte, vgl. Friedrich Sauerländer: Müller Bunte - "Erbpächter und Freischarrführer", in: Unsere lippische Heimat, Nr. 39/1965 (Bib.Sig. 9155).

Dr. Friedrich Leizmann (1807 - 1875)

Lehrer am Gymnasium in Lemgo, Bürger, 27.12.1843 (geb. * 16. März 1807 in Schwerborn bei Weimar; gest 2. Juni 1875 in Bern) aus Utzberg, Großherzogtum Weimar, Ehefrau: Marie Dorothee Goßée aus Sankt Petersburg; zusammen mit Pastor Rudolf Kulemann für Lemgo im Lippischen Landtag, Erarbeitung der lippischen "Volksschulgesetze", vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Leizmann, vgl. A 9936/03 Rechtliche Stellungnahme der Stadt Lemgo zum Erbschaftsanspruch des Dr. Friedrich Leizmann für dem seinem Sohne zustehenden Erbe seiner verstorbenen Schwester (1848), vgl. A 3252 Lehrer betr., 1840 - 1849, vgl. LAV NRW Abt. OWL L 86 Nr. 1741 Dresel, Otto, Advokat in Detmold und Karl Vette, Advokat daselbst und Doktor Friedrich Leizmann in Lemgo - sind wegen eines Artikels in der "Wage" angeklagt, worin eine Beleidigung des Fürsten erblickt wird, 1849

Friedrich Leopold Wagener

Buchdrucker/Verleger für die "Wage" und "Der Volksfreund. Eine Wochenschrift für Westfalen", Bürger, 10.10.1843, vgl. A 10191 Akten des Verwaltungsmagistrats zu Lemgo: Treiben der Literaten (Wagener betr.) 1850; vgl. NL 22/1 Handschriftliches Familienbuch, geführt von 1746 bis 1890; vgl. NL 22/2 Wanderbuch des Schriftsetzer-Gehülfen Friedrich Leopold Wagner, 1837-1843.

Moritz Wilhelm von Sode (1822 - 1866)

(Bürgerrecht Lemgo: 11.10.1844, als Prokurator angestellt)
Geboren 22.04.1822 in Maspe bei Blomberg, getauft in der Gemeinde zu Reelkirchen
Gestorben 03.02.1866 Lemgo (an Lungen Schwindsucht)
Verheiratet (Heirat: 15.02.1850 Lemgo) mit Sophie Wilhelmine Henriette, geb. Medel, verwitwete Rausche (Kaufmann Johann Friedrich Rausche, gestorben 02.06.1846 Lemgo), ihr Vater war der Stadtrendant Johann Georg Medel in Lemgo
Vater: Hauptmann Christian Ludwig von Sode (Sohn des Majors v. Sode aus Hildesheim), gestorben 10.11.1852 Lemgo, Bürgerrecht Lemgo: 12.09.1837
Mutter: Auguste von Uslar-Gleichen, Tochter des Pastors Begemann zu Lehe (?), Bürgerrecht Lemgo: 12.09.1837
Elternhaus: RB 15 (Rampendal 13)
Geschwister: 2 Schwestern (Julie und Bernhardine)
Eigentümer: Haus Mittelstraße 90 (SB 14)
Gründungsmitglied und Erster Vorsitzender des TV Lemgo von 1863, vgl. Stadtarchiv Lemgo A 3760.

Als Rechtsanwalt und Kläger/Beklagter mehrfach in den Beständen des LAV NRW Abteilung OWL in Detmold genannt.

Für weitere Persönlichkeiten, vgl. die vier Aufsätze von Jürgen Scheffler in Felix Gräfenberg (Hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023.

Literatur - Allgemein

Alexandra Bleyer, 1848 Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution, Ditzingen 2022

Felix Gräfenberg (hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröfentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023.

Wilfried Reininghaus / Horst Conrad (Hg.), Für Freiheit und Recht Westfalen und Lippe in der Revolution 1848/49 (Begleitbuch zur Ausstellung), Münster 1999.

Westfälische Forschungen, 49/1999, Schwerpunkt: Die Revolution von 1848/49 in Westfalen

Literatur - Lippe

Harald Pilzer und Annegret Tegtmeier-Breit (Hrsg.): Lippe 1848. Von der demokratischen Manier eine Bittschrift zu überreichen, Lippische Landesbibliothek Detmold, 1998

"Welch tolle Zeiten erleben wir!" Die Briefe des lippischen Kanzlers Friedrich Ernst Ballhorn-Rosen an seinen Sohn Georg in Konstantinopel 1847–1851, bearb. v. Agnes Stache-Weiske, Detmold 1999

Wilhelm Wortmann, Die Revolution von 1848/49 in dem Fürstentum Lippe-Detmold, Würzburg 1937.

Ernst-Hermann Grefe, Die Mediatisierungsfrage und das Fürstentum Lippe in den Jahren 1848 - 1849 (= Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe, 25, zugleich Diss. Frankfurt a. M. 1963), Detmold 1965.

Literatur - Lemgo

Jürgen Scheffler, Heinrich Clemen (1799 - 1867) Gymnasiallehrer, "Pietist" und Autor, in: Felix Gräfenberg (hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023, S. 181 - 190.

Vgl. zu Heinrich Clemen auch seine Vorlesungsmitschriften aus seiner Studienzeit an der Universität Jena im Stadtarchiv Lemgo: Y 139 (Jena, 1819), Y 141 (Jena 1818), Y 116 (Jena 1818), Y 115 (Jena, 1819), Y 130 (Jena, 1818), Y 129 (Jena, 1818/19/20), Y 110 - 113 (Lemgo 1818, Nachschriften Reinert), Y 114 (Jena 1818/19).

Jürgen Scheffler, Karl Schnitger (1809 - 1869). Gymnasiallehrer, Stadtverordneter und konservativer Landtagskandidat, in: Felix Gräfenberg (Hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023, S. 349 - 356.

Jürgen Scheffler, Rudolf Kulemann (1811 - 1889). Pfarrer, Landtagsabgeordneter und Schriftsteller, in: Felix Gräfenberg (Hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023, S. 403 - 411. Vgl. NL 1/9

Jürgen Scheffler, Gustav Adolf Wolff (1819 - 1878). Journalist und Revolutionär, in: Felix Gräfenberg (hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, NF 48), Steinfurt 2023, S. 579 - 587.

Jürgen Scheffler, Kommunalverwaltung und Bürgerprotest. Lemgo im Vormärz und in der Revolution von 1848/49, in: Peter Johanek / Herbert Stöwer (Hg.), 800 Jahre Lemgo. Aspekte der Stadtgeschichte, Lemgo 1990, S. 373 - 397.

Jürgen Scheffler, Revolution und lokale Politik: Lemgo 1848/49, in: Harald Pilzer / Annegret Tegtmeier-Breit (Hg.), Lippe 1848. Von der demokratischen Manier eine Bittschrift zu überreichen (= Auswahl- und Ausstellungskataloge der Lippischen Landesbibliothek Detmold, Heft 34), Detmold 1998, S. 229 - 246. 

Jürgen Scheffler, Erweckungsbewegung und Revolution. Religion und politische Öffentlichkeit in Lemgo 1848/49, in: Josef Mooser u. a. (Hg.), Frommes Volk und Patrioten. Erweckungsbewegung und soziale Frage im östlichen Westfalen 1800 bis 1900, Bielefeld 1990, S. 340 - 366.

Andreas Lange, "Ein frisches, fröhliches Gemeindeleben". Innere Mission und Vereinswesen als Faktoren kirchlicher Veränderung in der lutherischen Stadt Lemgo zwischen 1844 und 1886 (= Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe, 91), Bielefeld 2018, S. 55 - 89.

Jürgen Scheffler, Pfarrerwahl, Bekenntniskonflikt und Politik. Lemgo 1840 - 1860, in: Andreas Lange / Lena Krull / Jürgen Scheffler (Hg.), Glaube, Recht und Freiheit. Lutheraner und Reformierte in Lippe, Bielefeld 2017 (Schriften des Städtischen Museums Lemgo, Bd. 18), S. 321 - 333.

Harald Pilzer, Mosje Louis, "Eulenspiegel" und Windischgrätz. Politische und publizistische Konfrontationen in Lippe im Spiegel der Karikaturen im "Lippischen Volksblatt" und in der "Wage", in: Harald Pilzer / Annette Tegtmeier-Breit (Hg.), Lippe 1848. Von der demokratischen Manier, eine Bittschrift zu überreichen, Detmold 1998 (= Auswahl- und Ausstellungskataloge der Lippischen Landesbibliothek Detmold, H. 34), S. 287 - 301.