Was haben Pflanzen und Tiere mit einer spätmittelalterlichen Ablassurkunde zu tun? Auf einer rein formellen Ebene nichts. Der Ablass war von einem Prälat der Kirche bewilligter Nachlass der aus den begangenen Sünden resultierenden Bußstrafen.
Und dennoch, wenn man sich die ab dem 14. Jahrhundert im zunehmenden Maße angefertigten Ablassurkunden anschaut, wird man immer wieder auf abgebildete Pflanzen und Tiere stoßen.
Obwohl sie mit dem Ablass in seiner geistlichen bzw. kirchlichen Bedeutung in keinerlei Zusammenhang standen, wurden sie sehr häufig eingesetzt, sowohl um die Urkunde künstlerisch auszuschmücken, als auch um deren Inhalt durch symbolhafte Abbildungen für das breite Publikum zugänglicher zu machen.
In dem vorliegenden Fall handelt es sich um eine am 20. Mai 1503 in Rom von insgesamt 20 Kardinälen ausgestellte Ablassurkunde. Jeder Aussteller stellte dadurch denjenigen Personen einen 100tägigen Nachlass in Aussicht, die den Marienaltar der Pfarrkirche von Unna an bestimmten Festtagen besuchten und Almosen spendeten.
Wie die meisten Sammelindulgenzen des Spätmittelalters ist auch dieses Exemplar mit kolorierten Ausschmückungen versehen. Eingerahmt ist der Text des Ablassbriefes von bunten Blumenranken: Zu erkennen sind Maiglöckchen, Akeleien, Schwertlilien und eine Rose, die sowohl als Ornament als auch als Verkörperungen der Tugenden Mariens stehen, die Im Initial der Urkunde als Himmelskönigin abgebildet ist. Sie sitzt auf dem Thron mit dem Kind auf dem Schoß und der Mondsichel unter den Füßen, während zwei Engel die Krone auf ihren Kopf setzen. Das „O“ um die Mutter Gottes besteht aus grünen Federn, die an diejenigen des Pfaus erinnern, der die Vermittlung des ewigen Lebens symbolisiert.
In der Ecke rechts oben zeigt die Urkunde auch das Wappen des herrschenden Papstes, in diesem Fall jenes Alexanders IV. (1492-1503) aus dem Haus Borgia. Der Stier als dessen Wappentier ist zwar nur schwer erkennbar, symbolisiert jedoch auf der grünen Wiese Kraft und Fruchtbarkeit.
Links von dem Wappen und inmitten der Blumenranken sind schließlich zwei reitende Figuren zu erkennen: ein auf einem Löwen sitzender Jäger, der einen Speer trägt, und eine Schützin, die ihren Bogen spannt.
LAV NRW W, D 701/Urkundenselekt, AB 13