Direkt zum Inhalt

Geschichte im Schaufenster

An dieser Stelle veröffentlicht das Landesarchiv besondere Highlights aus seinen umfangreichen Beständen. Im Fokus stehen Stücke, die Aufschluss geben sollen über die Geschichte in Daten, Zahlen und Fakten, aber auch über das ganz alltägliche Leben der vergangenen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte im Rheinland, in Westfalen und in Ostwestfalen-Lippe. Alle präsentierten Archivalien werden erklärt und in den Kontext ihrer Zeit eingeordnet. Die Stücke kommen aus allen drei Regionalabteilungen.

Verbrecherjagd im Grenzgebiet (Archivale des Monats von LAVNRW W)

Anfang Mai 1577 macht sich der Schuhmacher Johann Seelkinck aus Stadtlohn auf den Weg nach Deventer, um bei seinem dort lebenden Schwager ein Malter Roggen zu leihen. Erst im Zwillbrocker Venn merkt er, dass er kein Geld für seinen Aufenthalt in Deventer dabei hat, bemächtigt sich daher, nach eigene...

Anfang Mai 1577 macht sich der Schuhmacher Johann Seelkinck aus Stadtlohn auf den Weg nach Deventer, um bei seinem dort lebenden Schwager ein Malter Roggen zu leihen. Erst im Zwillbrocker Venn merkt er, dass er kein Geld für seinen Aufenthalt in Deventer dabei hat, bemächtigt sich daher, nach eigener Aussage aufgrund einer Einflüsterung des Teufels (!), zweier dort weidender Ochsen und verkauft sie auf dem Markt in Zutphen. Der Eigentümer der Ochsen, Herman van Dieck aus Borculo, forscht erfolgreich nach deren Verbleib, kauft sie in Zutphen zurück und nimmt die Verfolgung des Diebes auf, den er auch wirklich in Vreden stellen kann. Seelkinck wirft ihm in Panik die Tasche mit dem Geld vor die Füße und flieht, wird aber (wie der vergrößerte Kartenausschnitt unten zeigt) im Venn von Torfstechern aus Winterswijk festgehalten, den Verfolgern aus Vreden übergeben und nach Ahaus abgeführt.

Der Drost des (an die Herren von Bronckhorst zu Anholt verpfändeten) Amtes Bredevoort wertet diesen Vorfall als Verletzung seiner Hoheitsrechte und fordert vom Rentmeister des zum Fürstbistum Münster gehörenden Amtes Ahaus die Auslieferung des seiner Ansicht nach auf Bredevoorder Gebiet verhafteten Seelkinck. Daraus entwickelt sich ein diplomatischer Streit um das Grenzgebiet zwischen Vreden (auf der gezeigten Karte oben Mitte) und Winterswijk unten im Wald), in dessen Verlauf man von Winterswijk aus zweimal einen Radpfahl als Symbol für die Gerichtshoheit im strittigen Gebiet errichtet, der jedoch von den Münsterschen beide Male wieder entfernt wird (so die Legende zum Ausschnitt rechts, der aus dem ebenfalls erhaltenen Kartenentwurf stammt).

Der Konflikt wird später nach einer Ortsbesichtigung friedlich beigelegt, Johan Seelkinck, um dessen Begnadigung seine Frau und der Pfarrer mit Eingaben bitten, nach Begleichung der Haftkosten freigelassen.

LAVNRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 274 und 2778.

Mehr anzeigen Weniger anzeigen

Kinderverlobung im Jahr 1496 - Geschichte im Schaufenster der Abteilung Rheinland

Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Zusammenschluss der Herzogtümer Jülich-Berg und Kleve vorbereitet. Die Herzöge Johann von Kleve und Wilhelm von Jülich und Berg beschlossen mit der hier gezeigten Urkunde, dass ihre Kinder heiraten sollten. Diese waren zu dem Zeitpunkte 5 bzw. 6 Jahre alt.Die Heirat selbst fand dann im Jahr 1510 statt. Allerdings wurde Johann III. erst 1521, mit dem Tod seines Vaters, Herrscher über das gesamte Territorium. In d...

Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Zusammenschluss der Herzogtümer Jülich-Berg und Kleve vorbereitet. Die Herzöge Johann von Kleve und Wilhelm von Jülich und Berg beschlossen mit der hier gezeigten Urkunde, dass ihre Kinder heiraten sollten. Diese waren zu dem Zeitpunkte 5 bzw. 6 Jahre alt.

Die Heirat selbst fand dann im Jahr 1510 statt. Allerdings wurde Johann III. erst 1521, mit dem Tod seines Vaters, Herrscher über das gesamte Territorium. In der Ehe mit Maria von Jülich wurde unter anderem Anna von Kleve geboren, welche später die vierte Frau des englischen Königs Heinrichs VIII. wurde.

Die Urkunde ist dem Bestand AA 0022 Jülich-Berg, Urkunden zugeordnet. Der Bestand umfasst 2910 Urkunden aus den Jahren 1423 bis 1795. Zu sehen ist auch zumindest ein Teil der 86 Siegel, die der Ritterschaft und den Städten der Gebiete gehörten. Ein Archivar des damaligen Staatsarchivs Düsseldorf verzeichnete die Urkunden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts.

Signatur: LAV NRW R, AA 0022 Jülich-Berg, Urkunden Nr. 1707

Mehr anzeigen Weniger anzeigen

Pferdestricker gesucht!

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Be...

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Beamten der Essener Fürstäbtissin besetzt. Hauptaufgabe war das Eintreiben wilder Pferde in den Essener Marken. „Gestütberechtigte“ hatten dort das sogenannte Wildbahnrecht, das ihnen erlaubte, wilde Pferde zu halten.

Der Bedarf an diesem eher ungewöhnlichen Amt lässt sich mit der großen Anzahl von Wildpferden im Raum Essen erklären. Die Pferde sorgten regelmäßig für Ungemach in der Borbecker und Viehofer Mark, da sie sich überall ungehindert ausbreiteten. Dieser Umstand machte den Einsatz eines Pferdestrickers erforderlich. Der Erstbeleg des „peerdestrykkers“ stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Die Akte aus den Jahren 1772-1788 behandelt u.a. die Besetzung des Oberpferdestrickeramts für die Gebiete der Borbecker und Viehofer Mark. Die Ritterbürtigen und Beerbten der Borbecker Mark schildern dort in einem Schreiben an die (letzte) Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen (1776-1802) ein wachsendes Problem.

Sie berichten davon, dass die Marken mittlerweile mit „fremden unberechtigten Pferden, Horn- und sonstigem Vieh […] überströhmet worden.“ Zusätzlich zeigen sich die Beerbten verärgert über die Stadt Essen, die in der Viehofer Mark Wildpferde eintreibt und mit dem Stadtwappen brandmarkt; die Stadt habe nicht das Recht, dort „wilde Pferde zu ziehen.“ Daher bitten sie die Fürstäbtissin, „das Oberstrickeramt einem tüchtigen Subjecto […] zu conferieren“. Dieser solle „sofort die wilde ohnberechtigte Pferde und sonstiges Vieh auftreiben lassen und die Marken davon reinigen.“

Die Fürstäbtissin fordert daraufhin zunächst ihre Regierungskanzlei dazu auf, einige Fragen zu dem Oberstrickerpferdeamt und den angeblichen Problemen mit der Stadt Essen zu beantworten (unser Bild: AA 0250 Essen, Stift, Akten, Nr. 845, fol. 17r).

Der darauffolgende Bericht der Regierungskanzlei an die Fürstäbtissin vom 12. Oktober 1778 relativiert zunächst die Anschuldigungen der Beerbten gegenüber der Stadt Essen: Solange das Oberpferdestrickeramt für die Borbecker und Viehofer Marken nicht besetzt sei, könne nichts dagegen unternommen werden, dass die Stadt in diesen Gebieten wilde Pferde eintreibe und mit dem Stadtwappen brandmarke.

Es folgt ein Rückblick auf die ehemaligen Inhaber des Oberpferdestrickeramtes. Erwähnt wird dabei „der alte Marschall Dobbe“, der die Aufgaben noch unentgeltlich ausgeübt hat. Nach seiner Zeit fehlte ein Nachfolger für das Amt, da sich „niemand zu dessen Verwaltung anschicken“ wollte. Daraufhin sind die Beerbten tätig geworden und haben die Regierung darum gebeten, einem „Hauptmann Sterzenbach“ die Aufgaben zu übertragen und ihn dafür zu entlohnen. Sein jährliches Gehalt betrug 50 Reichstaler, das teils aus der Borbecker und teils aus der Viehofer Mark bestritten wurden. Aus dem Bericht geht allerdings hervor, dass die Amtszeit Sterzenbachs vor Regierungsantritt der Fürstäbtissin, also vor 1776, geendet hat. Seit mindestens zwei Jahren ist also niemand für die Aufgaben des Pferdestrickers zuständig. Das erklärt wohl, wie sich die zahlreichen Wildpferde überall ungehindert ausbreiten konnten und nun ein so dringliches Problem darstellten.

Daher bleibt die Frage, wem das Amt nun übertragen werden kann. Es gibt bereits einen Vorschlag der Regierungskanzlei: Clemens Freiherr von Vittinghoff genannt Schell. Er ist ein Beerbter der Borbecker Mark und zählt zu den Unterzeichnern des Bittschreibens an die Äbtissin. Da er allerdings in Münster weilt, kann er erst nach seiner Rückkehr zustimmen. Auf einer Konferenz mit der Regierungskanzlei wird der Vorschlag angenommen. Des Weiteren einigt man sich auf seine Entlohnung, wobei man sich am Gehalt des Hauptmanns Sterzenbach orientiert zu haben scheint: Dem Freiherrn von Vittinghoff sollen für die Ausübung dieses Amtes jährlich 50 Reichstaler gezahlt werden. Übrigens: In der freiherrlichen Familie verblieb das „Erb-Ober-Stricker-Amt“ noch bis zur Aufhebung der Viehofer Mark im Jahre 1831.

Mehr anzeigen Weniger anzeigen