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200 Jahre preußische Provinz Westfalen

Quellen zur Entwicklung des Verhältnisses der westfälischen Bevölkerung zur preußischen Obrigkeit: Gesetzgebung, Verwaltung, Gesellschaft, Religion.

Die Online-Ausstellung griff als Archivale des Monats das 200-jährige Jubiläum der preußischen Provinz westfalen auf.

Porträt des ersten Oberpräsidenten Vincke

Ludwig Freiherr Vincke ist als erster Oberpräsident der preußischen Provinz Westfalen noch heute ein Begriff. Er war von 1815 bis zu sei­nem Tod 1844 im Amt und hat sich um die Integration der bis 1803 selbständigen 21 Territorien und um den Ausgleich zwischen Katholi­ken und Protestanten verdient gemacht....

Ludwig Freiherr Vincke ist als erster Oberpräsident der preußischen Provinz Westfalen noch heute ein Begriff. Er war von 1815 bis zu sei­nem Tod 1844 im Amt und hat sich um die Integration der bis 1803 selbständigen 21 Territorien und um den Ausgleich zwischen Katholi­ken und Protestanten verdient gemacht.

Er förderte die Industrialisie­rung und brachte den Ausbau von Straßen und Wasserwegen voran, um den Handel zu unterstützen. Für ein starkes Bauerntum setzte er sich ebenso ein wie für eine bessere Unterbringung und Behandlung Behinderter. Als Generaldirektor des Katasters hat er wesentlichen Anteil an der frühen Durchführung des rheinisch-westfälischen Urka­tasters, das für Steuergerechtigkeit sorgen sollte. Er engagierte sich mit Hochdruck in allen Verwaltungszweigen und blieb dabei bürger­nah.

Das Porträt von Friedrich Boser zeigt den 66-jährigen Vincke mit jener charakteristischen Mundpartie, die in der mit den Vinckes weitläufig verwandten Familie von Ledebur zu einer noch heute gebräuchlichen Ermahnung gegenüber schmollenden Kindern geführt hat: „Nun mach mal keine Oberpräsidenten-Lippe!“

Die im Archiv am Bohlweg hängende Kopie wurde Archivaren in den 1930er Jahren bei einer Aktenaussonderung aus dem Oberpräsidium am Schlossplatz mitgegeben.

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Taufe des Kriegsschiffes „Westfalen“

Im Rahmen der Aufrüstung der deutschen Hochseeflotte wurde am 1. Juli 1908 auf der Weser-Werft in Bremen das zweite Linienschiff der so genannten „Nassau-Klasse“ auf den Namen „SMS Westfalen“ getauft (Lageplan und Foto links). In seiner unten auszugsweise zitierten Taufansprache deutete Freiherr Eber­hard von der Recke von der Horst als Ober­präsident der Provinz Westfalen die kaiserliche Namengebung naheliegenderweise als Würdi­gung der Verbundenheit Westfalens mit der preußisch-deutschen Monarchie, ließ aller­dings unerwähnt, dass zuvor natürlich auch schon andere Schiffe den Namen von Ländern bzw. Provinzen des Reiches bekommen hat­ten....

Im Rahmen der Aufrüstung der deutschen Hochseeflotte wurde am 1. Juli 1908 auf der Weser-Werft in Bremen das zweite Linienschiff der so genannten „Nassau-Klasse“ auf den Namen „SMS Westfalen“ getauft (Lageplan und Foto links). In seiner unten auszugsweise zitierten Taufansprache deutete Freiherr Eber­hard von der Recke von der Horst als Ober­präsident der Provinz Westfalen die kaiserliche Namengebung naheliegenderweise als Würdi­gung der Verbundenheit Westfalens mit der preußisch-deutschen Monarchie, ließ aller­dings unerwähnt, dass zuvor natürlich auch schon andere Schiffe den Namen von Ländern bzw. Provinzen des Reiches bekommen hat­ten. Die „SMS Westfalen“ ging 1909 in Dienst, nahm während des Krieges an nur an wenigen Gefechten teil und wurde 1924 in England ab­gewrackt.

Noch klingen in unseren Herzen wieder die wundervollen Worte von der Versöhnung der historischen, konfessionellen und wirtschaftlichen Gegensätze, die Seine Majestät der Kaiser bei den letzten großen Manövern an Seine Westfalen zu richten geruhte. Ein Reich, ein Volk, ein Gott schallte es in allen deutschen Gauen wieder und die Westfalen insonderheit, stolz auf die Worte der Anerkennung und des Vertrauens, gelobten sich, wie bisher so bis in alle Zukunft den Kai­serlichen Mahnungen nachzuleben. Da läßt ein neues Zeichen Kaiserlicher Huld und Gnade in heißem Dankgefühl ihre Herzen höher schlagen. Denn Seine Majestät haben zu bestimmen geruht, dass das neueste Rüstzeug deutscher Seemacht, das wir heute seinem Element übergeben, den Namen „Westfalen“ tragen soll, den Namen einer Provinz, die erst vor einem Jahrhundert geboren, in dieser kurzen Spanne Zeit dank ihrer reichen Bodenschätze, der Tüchtigkeit ihrer Bevölkerung und dank vor allem der landesväterlichen Fürsorge ihrer erhabenen Herrscher zu einer der schönsten Perlen in der preußischen Krone heran­gewachsen ist. Der Name Westfalen soll dir, du stolzes Schiff, eine gute Vorbedeutung sein. Er ruft in die Erinnerung zwei Helden in der deutschen Geschichte (…) Karl der Große war es, der Westfalen dem deutschen Reiche einfügte, der große Kurfürst gewann die ältesten Bestandteile des jetzigen Westfalens der preußischen Monarchie. (…)

Wenn aber der Ruf deines Kaisers dich [ereilt], so wirst du, dessen bin ich gewiss, gleich den alten sieggewohnten westfälischen Regimentern, ein Schrecken deiner Feinde sein und deine Pflicht tun, hart wie westfälischer Stahl und zäh wie die westfälischen Eichen, treu deinem Kaiser, Ihm getreu bis in den Tod!

LAV NRW W, K 001/Oberpräsidium, Nr. 2570

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Uniformen und Abzeichen

Mit Wappen an Amtsgebäuden, Uniformen und Abzeichen wie mit den hier abgebildeten preußischen Beispielen von 1854 wurden (und werden) hoheitliche Machtansprüche auch in der Provinz visualisiert. In Reaktion auf die Bedrohung durch Na­poleon ging man 1813 in Preußen (wie in anderen Territorien) dazu über, auch die Beherrschung der einzelnen Untertanen sichtbar zu machen...

Mit Wappen an Amtsgebäuden, Uniformen und Abzeichen wie mit den hier abgebildeten preußischen Beispielen von 1854 wurden (und werden) hoheitliche Machtansprüche auch in der Provinz visualisiert. In Reaktion auf die Bedrohung durch Na­poleon ging man 1813 in Preußen (wie in anderen Territorien) dazu über, auch die Beherrschung der einzelnen Untertanen sichtbar zu machen.

In der „Erwägung, daß die herzerheben­de allgemeine Äußerung treuer Vaterlandsliebe ein äußeres Kennzeichen derselben für alle Staatsbürger erfordert“, ver­pflichtete König Friedrich Wilhelm III. mit seiner Verordnung vom 22. Februar 1813 jeden preußischen Untertan zum Tra­gen der „preußischen Nationalkokarde“ in Form eines runden, weiß-schwarzen Emblems. Aus den wiederholten Erinnerun­gen im Amtsblatt der Regierung zu Münster (wie hier vom 5.9.1834) ist zu schließen, dass zumindest in Westfalen sogar die königlich-preußischen Beamten ihren Patriotismus eher nachlässig demonstrierten.

Schon am 30. November 1813 hatte Ludwig von Vincke, der erst wenige Tage zuvor zum Generalkommissar des proviso­rischen „Zivilgouvernements zwischen Weser und Rhein“ er­nannt worden war und 1816 erster Oberpräsident der Provinz Westfalen wurde, auf eine (nicht erhaltene) Anfrage des da­maligen Bischofs von Münster und späteren Erzbischofs von Köln, Ferdinand August von Spiegel, betont, „daß die preußi­sche Nationalkokarde, durchaus kein militärisches Zeichen, das Symbol der Vereinigung des gesamten preußischen Volkes zu gleichem Sinn und Zweck ist, daher auch in den übrigen preußischen Provinzen dies- und jenseits der Elbe von den Geistlichen aller Konfessionen getragen wird und getragen werden muß“.

LAV NRW W, K 001/Oberpräsidium, Nr. 1123

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Bismarck-Denkmal in Dortmund, 1897

Trotz der Konflikte des „Kulturkampfes“, die vor allem in den 1870er Jahren die deutschen Katholiken gegen die preußische Obrigkeit empört hatten, mündete die Vereh­rung des Reichsgründers Otto von Bismarck auch in Westfalen in einigen jener Städte, die nicht (wie etwa Münster) zu 90% von Katholiken bewohnt waren, in die Errichtung von Denkmälern zu Ehren des Reichskanzlers (dessen Geburtstag sich am 1. April zum 200. Mal jährt)...

Trotz der Konflikte des „Kulturkampfes“, die vor allem in den 1870er Jahren die deutschen Katholiken gegen die preußische Obrigkeit empört hatten, mündete die Vereh­rung des Reichsgründers Otto von Bismarck auch in Westfalen in einigen jener Städte, die nicht (wie etwa Münster) zu 90% von Katholiken bewohnt waren, in die Errichtung von Denkmälern zu Ehren des Reichskanzlers (dessen Geburtstag sich am 1. April zum 200. Mal jährt).

Die von dem aus Altena stammenden Bildhauer Arnold Künne (1866-1942) entworfene und in der gezeigten Zeichnung skizzierte Büste wurde am 1. September 1897 in Dortmund-Marten eingeweiht und steht noch heute an der dortigen Steinhammerstraße. Ob die Bemalung des Mundbereichs mit roter Farbe, die laut eines Hinweises im Internet in jüngster Vergangenheit die Büste geraume Zeit verunstaltet hat, durch Katholiken zu verantworten ist, muss hier ungeklärt bleiben.

LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 11425

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Aegidiikaserne in Münster, ca. 1930

Zu den architektonischen Spuren preußi­scher Staatlichkeit gehörten vor allem auch militärische Bauten. In Münster wurde auf dem Gelände des ehemaligen Aegidiiklos­ters von 1828 bis 1831 die Kaserne für das Infanterie-Regiment Nr. 13 errichtet, mit der der Ausbau Münsters zur Garnisonsstadt begann...

Zu den architektonischen Spuren preußi­scher Staatlichkeit gehörten vor allem auch militärische Bauten. In Münster wurde auf dem Gelände des ehemaligen Aegidiiklos­ters von 1828 bis 1831 die Kaserne für das Infanterie-Regiment Nr. 13 errichtet, mit der der Ausbau Münsters zur Garnisonsstadt begann.

Nach 1918 nutzte man die Kaserne als Polizeischule und Hauptversorgungsamt, bevor sie im Zweiten Weltkrieg völlig zer­stört wurde. Ab 1976 wurde dann der heu­tige Gebäudekomplex „Aegidiimarkt“ er­richtet.

Über die wechselnden Schicksale des Are­als informiert bis zum 16.08.2015 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Münster.

LAV NRW W, W 201/Bildersammlung, Nr. 1040

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Preußischer Landesvater und westfälische Untertanen – eine zwiespältige Beziehung

König Friedrich Wilhelm III. regierte bereits seit 18 Jah­ren, als er 1815 die neue Provinz Westfalen in Besitz nehmen konnte. Trotz der Animositäten zwischen katho­lischen Westfalen und protestantischen Preußen scheint der König in der Bevölkerung zunächst durchaus ange­sehen oder gar beliebt gewesen zu sein. Würdigungen, Feierlichkeiten oder auch Huldigungsgedichte wie im Hagener Wochenblatt zu seinem Geburtstag am 3. Au­gust waren nicht eben selten....

König Friedrich Wilhelm III. regierte bereits seit 18 Jah­ren, als er 1815 die neue Provinz Westfalen in Besitz nehmen konnte. Trotz der Animositäten zwischen katho­lischen Westfalen und protestantischen Preußen scheint der König in der Bevölkerung zunächst durchaus ange­sehen oder gar beliebt gewesen zu sein. Würdigungen, Feierlichkeiten oder auch Huldigungsgedichte wie im Hagener Wochenblatt zu seinem Geburtstag am 3. Au­gust waren nicht eben selten.

Noch 1837, als die so ge­nannten „Kölner Wirren“ bereits auf ihren Höhepunkt zu­steuerten, soll es in Münster eine lebhafte Anteilnahme am entsprechenden Fest gegeben haben.

Erst die Verhaftung des Kölner Erzbischofs Clemens August Droste zu Vischering am 20. November 1837 und seine 18monatige Festungshaft in Minden haben das Image des Königs in Westfalen offenbar nachhaltig be­schädigt. Nach seinem Tod am 7. Juni 1840 haben sich etwa mancherorts die katholischen Geistlichen der be­hördlich angeordneten Landestrauer widersetzt und die Glocken ihrer Kirchen nicht oder nur sporadisch geläutet. Darüber berichtet am 15. Juni der Dirigent des Gronauer Zollamtes an den Oberpräsidenten Vincke und denun­ziert zudem den Mitbürger Franz Deuters, der sich im Schalterraum des Postamtes abfällig über den König geäußert habe: „Dem Bischof (Clemens August gemeint) sei Unrecht geschehen, daß ihn der König habe arretie­ren lassen; Gott habe jetzt dem Bischof Recht widerfah­ren lassen, indem der König krepiert sei.“ (OP Nr. 243 fol. 30)

LAV NRW W, K 001/Oberpräsidium, Nr. 242,1

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Begnadigung des Bischofs von Münster, 1884

Im „Kulturkampf“ der 1870er Jahre, mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck den katholischen Einfluss auf Staat und Gesellschaft be­schränken wollte, entwickelten sich die beiden westfälischen Bistümer Münster und Paderborn zu Hochburgen des kirchlichen Widerstands gegen „Kanzelparagraph“, „Maigesetze“ und sonstige staatliche Maß­nahmen gegen den Katholizismus...

Im „Kulturkampf“ der 1870er Jahre, mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck den katholischen Einfluss auf Staat und Gesellschaft be­schränken wollte, entwickelten sich die beiden westfälischen Bistümer Münster und Paderborn zu Hochburgen des kirchlichen Widerstands gegen „Kanzelparagraph“, „Maigesetze“ und sonstige staatliche Maß­nahmen gegen den Katholizismus.

Nachdem der Paderborner Bischof Konrad Martin bereits 1874 verhaftet worden war, ging die preußische Obrigkeit bald darauf auch gegen Johann Bernhard Brinkmann (1813-1889) in Münster vor: Auf Geldbußen folgten die Pfändung seines Ei­gentums im bischöflichen Palais, dessen (erfolglose) Versteigerung, eine 40tägige Haft im Gefängnis zu Warendorf und schließlich die Amtsenthebung, nach der Brinkmann ins niederländische Exil ging.

Nach Amtsantritt des neuen Papstes Leo XIII. 1878 kam es zwischen Kirche und Deutschem Reich zu einer allmählichen Annä­herung, in deren Rahmen Kaiser Wilhelm I. schließlich auch Bischof Brinkmann begnadigte und seine Rückkehr nach Münster ermög­lichte. Am 12. Februar 1884 wurde der Bischof von Tausenden Gläu­bigen auf dem Domplatz begeis­tert begrüßt.

LAV NRW W, K 001/Oberpräsidium, Nr. 2153

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Neubau des Zuchthauses in Münster, 1840-1857

Zur Vielzahl der oft imposanten Gebäude, in denen sich preußische Landesherrschaft in Westfalen manifestierte, gehörten nicht nur Kasernen (vgl. Archivale des Monats Mai), Regierungspräsidien oder Staatsarchive (siehe den heutigen Altbau in Münster von 1889), sondern auch Gefängnisse. Nachdem eine Besichtigung 1838 ergeben hatte, dass ein Ausbau des alten Münsteraner Zuchthauses an der Lotharingerstraße (im abgebildeten Plan unten rechts zu erkennen) nicht in Frage kam, begann man 1840, einen Neubau zu planen und jenseits des Promenadenrings den erforderlichen Bauplatz zu erwerben....

Zur Vielzahl der oft imposanten Gebäude, in denen sich preußische Landesherrschaft in Westfalen manifestierte, gehörten nicht nur Kasernen (vgl. Archivale des Monats Mai), Regierungspräsidien oder Staatsarchive (siehe den heutigen Altbau in Münster von 1889), sondern auch Gefängnisse. Nachdem eine Besichtigung 1838 ergeben hatte, dass ein Ausbau des alten Münsteraner Zuchthauses an der Lotharingerstraße (im abgebildeten Plan unten rechts zu erkennen) nicht in Frage kam, begann man 1840, einen Neubau zu planen und jenseits des Promenadenrings den erforderlichen Bauplatz zu erwerben.

Da jedoch erst 1844 die endgül­tige Entscheidung zugunsten des so genannten „pennsylvanischen Systems“ (strenge Isolierung der Gefangenen voneinander) fiel und außerdem die Revolution von 1848 zu weiteren Verzögerungen führte, konnten erste Bauabschnitte zwar ab 1848 beendet, letzte Baumaßnahmen aber erst 1857 durchgeführt werden.

Auch wenn das ursprüngliche, nach dem britischen Vorbild in London-Pentonville kon­zipierte Gebäude in den folgenden Jahrzehnten etliche Um- und Erweiterungsbauten erfuhr, gilt es doch heute als eines der ältesten Gefängnisse aus preußischer Zeit und soll deshalb auch nach dem bereits beschlossenen Umzug der Justizvollzugsanstalt in einen Neubau als Denkmal erhalten bleiben; Informationen dazu bietet die „LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen“ unter http://www.lwl.org./dlbw/service/projekte/jva-muenster an.

LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr.2881

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Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica, 1896

Wie vielerorts in Preußen entstanden nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. 1888 auch in Westfa­len rasch Pläne zur Errichtung eines Denkmals zu Ehren des „Reichseinigers“ – dessen Ver­antwortung für den Bismarckschen Kulturkampf der 1870er Jahre man also großzügig ver­drängt...

Wie vielerorts in Preußen entstanden nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. 1888 auch in Westfa­len rasch Pläne zur Errichtung eines Denkmals zu Ehren des „Reichseinigers“ – dessen Ver­antwortung für den Bismarckschen Kulturkampf der 1870er Jahre man also großzügig ver­drängte.

Um den Standort dieses Denkmals entbrannte (trotz mahnender Worte wie jener des in Minden geborenen Schriftstellers Dr. Otto Weddigen) in Öffentlichkeit und Publizistik ein nicht immer würdiger Wettstreit: Die „Westfälische Post“ zu Hagen etwa druckte am 21.2.1889 einen anonymen Leserbrief ab, der sich vehement gegen den vom Magistrat in Münster vorge­schlagenen Neuplatz vor dem dortigen Schloss aussprach. Der Autor erinnert an Münsters (angebliche) Sympathie für Österreich im Krieg von 1866 und behauptet: „Münsters Herz ist allezeit in Rom und in Österreich, aber nicht in Berlin und nicht bei Preußen.“

Der Landtag der Provinz Westfalen entschied sich 1889 schließlich für den markanten Ost­hang des Wittekindsberges bei Porta Westfalica und beauftragte nach einem Wettbewerb den Berliner Architekten Bruno Schmitz mit dem Bau, während der Bildhauer Caspar von Zum­busch aus Herzebrock die Gestaltung der Bronzefigur Wilhelms übernahm.

Nach vierjähriger Bauzeit konnte das Denkmal am 18. Oktober 1896 in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II., Kaiserin Auguste Viktorias sowie zahlreicher Honoratioren der Provinz eingeweiht werden.

LAV NRW W, U 190/Familie von der Recke-Obernfelde (Dep.), Nr. 1241

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Feier zum 50jährigen Jubiläum der Erbhuldigung der Provinz Westfalen

Am 18. Oktober 1815 nahm der ehemalige preußische Justizminister Eberhard von der Recke im Namen König Friedrich Wilhelms III. in Münster die Erbhuldigung der Stände der neuen Provinz Westfalen entgegen...

Am 18. Oktober 1815 nahm der ehemalige preußische Justizminister Eberhard von der Recke im Namen König Friedrich Wilhelms III. in Münster die Erbhuldigung der Stände der neuen Provinz Westfalen entgegen.

50 Jahre später wurde in Anwesenheit König Wilhelms I. an dieses Ereignis erinnert und die Zugehörigkeit zur preußischen Monarchie offenkundig gebührend gefeiert.

LAV NRW W, U190/Familie von der Recke-Obernfelde (Dep.), Nr. 649

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Westfälische Separationsgelüste

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges machen sich im Westen des Deutschen Rei­ches, vornehmlich am linken Rheinufer, erste Befürchtungen breit, Teile des west­lichen Reichsgebietes könnten von Deutschland getrennt und entweder neutraler Pufferstaat oder der Französischen Republik einverleibt werden...

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges machen sich im Westen des Deutschen Rei­ches, vornehmlich am linken Rheinufer, erste Befürchtungen breit, Teile des west­lichen Reichsgebietes könnten von Deutschland getrennt und entweder neutraler Pufferstaat oder der Französischen Republik einverleibt werden.

Zeitgleich kursie­ren vornehmlich am Rhein, später aber auch in Westfalen (dort übrigens parallel zum Projekt einer „Ems-Republik“), Pläne zur Errichtung eines von Preußen ge­trennten, aber beim Reich verbleibenden westdeutschen, rheinischen oder rhei­nisch-westfälischen Freistaates. Nach der Abdankung der Hohenzollernmonarchie und der Ausrufung der Republik am 9. November 1918, der Besetzung linksrheini­scher und in kleinerem Umfang auch rechtsrheinischer Gebiete durch alliierte Truppen und der insbesondere für das Bürgertum abschreckenden Übernahme der Regierung durch SPD und USPD in Berlin scheint die Gunst der Stunde gekom­men, einen eigenen Gliedstaat im Deutschen Reich zu etablieren. Ab Ende No­vember ist in vielen Versammlungen und Zeitungen der Ruf „Los von Berlin!“ zu vernehmen. Am 1. Juni 1919 kulminieren die Ereignisse im so genannten „Dorten-Putsch“ in Wiesbaden, 1923 kommt es nochmals zur Proklamation einer „Rheini­schen Republik“ durch die vereinigten Separatisten am Rhein, in der Pfalz und im rheinisch-westfälischen Ruhrgebiet. Diese Bestrebungen brechen schließlich auf­grund mangelnden Rückhalts bei Bevölkerung, Verwaltung und alliierter Besat­zung, aber auch aufgrund interner Zwistigkeiten und Disziplinlosigkeit in sich zu­sammen. In diesen Kontext gehört die hier gezeigte Postkarte des (bislang nicht identifizierten) Schriftstellers Grothus-Schulenberg vom 6. Dezember 1918 an den Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen:

 

Berlin N[ord] W[est] 52, Calvinstr. 15 A I, d[en] 6.12.18.

Zu Folge Zeitungsnachrichten über die Losreißungsbestrebungen der Prov[inzen] Rhein­land u[nd] Westfalen und Proklamierung einer selbstständigen rhein[isch]-westfälischen Republik richte ich als Westfale, hierdurch an Ew. [Euer] Exzellenz die Bitte, die Selbst­ständigkeit der Prov[inz] Westfalen auf dem schnellsten Wege zu schaffen. Nur in einer selbstst[ändigen] Republik kann Westfalens Zukunft liegen und ist diese Regierungsform heute in der Bolschewickizeit der einzige Schutz gegenüber roten Eingriffen in den Privat­besitz u[nd] der Kirchen. Los von Berlin. Es lebe die Republik Westfalen-Rheinland. Schnellste Einberufung einer Nationalversammlung (keine Massenbewegung) aller männli­chen Personen, die das 25. [?] Lebensjahr erreicht haben.

hochachtend u[nd] ergebenst A [?] Grothus-Schulenberg, Schriftsteller

LAV NRW W, K 001/Oberpräsidium, Nr. 5844

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Westfalen ohne Preußen

Bereits einen Monat nach der Kapitulation des Deutschen Reiches beauftragte im Juni 1945 die britische Militärregierung den früheren Zentrums-Politiker Rudolf Amelunxen, in der Funktion des „Oberpräsidenten“ die staatliche Ver­waltung in Westfalen wieder aufzubauen. Amelunxen führte also bis zu seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten des neuen Landes Nordrhein-Westfalen am 24. Juli 1946 einen Titel aus preußischer Tradition, obwohl Preußen de jure zwar noch bis zum berühmten Kontrollratsgesetz Nr. 46  vom 25. Februar 1947 bestand, faktisch aber mit Kriegsende aufgelös...

Bereits einen Monat nach der Kapitulation des Deutschen Reiches beauftragte im Juni 1945 die britische Militärregierung den früheren Zentrums-Politiker Rudolf Amelunxen, in der Funktion des „Oberpräsidenten“ die staatliche Ver­waltung in Westfalen wieder aufzubauen. Amelunxen führte also bis zu seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten des neuen Landes Nordrhein-Westfalen am 24. Juli 1946 einen Titel aus preußischer Tradition, obwohl Preußen de jure zwar noch bis zum berühmten Kontrollratsgesetz Nr. 46  vom 25. Februar 1947 bestand, faktisch aber mit Kriegsende aufgelöst war.

Ein nicht identifizierbarer Mitarbeiter aus Amelunxens Behörde, die im übrigen am 1. Januar 1946 von den Briten in „Provinzialregierung“ umbenannt wurde, legte im Herbst 1945 ein zweiseitiges Memorandum über „Westfalen in der Neugliederung Nordwestdeutschlands“ vor, das er mit der gezeigten Karte illustrierte. Seinen Vorschlag, das Gebiet der ehemaligen Provinz Westfalen um das südliche Oldenburger, das Osnabrücker und das Emsland zu vergrö­ßern, begründet er mit den im frühen Mittelalter geformten „Stammes- und Volkstumsgrenzen“, die erst durch die „zielbewußte Machtpolitik der Welfen“  vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und als „Ergebnis des europäischen Kräfte­spiels auf dem Wiener Kongress“ zuungunsten Westfalens verschoben wor­den seien. Der Verfasser beruft sich zudem auf das 1929 vom westfälischen Provinzialverband in Auftrag gegebene wissenschaftliche Werk „Der Raum Westfalen“ und resümiert: „Die Kraft des Stammes, die im Mittelalter das Land auf allen Gebieten des völkischen Gemeinschaftslebens (!) (…) einte, (…)  wirkt heute in Art und Bewußtsein der Westfalen und in engen kulturellen Zu­sammenhängen fort.“

Ob der Referent nach dem Scheitern seiner „groß-westfälischen“ Wünsche  später zumindest ein wenig Trost im Beitritt Lippes zum Land Nordrhein-Westfalen am 21. Januar 1947 fand, ist nicht überliefert.

LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 12443

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