Nach dem Kieler Matrosenaufstand Ende Oktober 1918 breiteten sich Arbeiter- und Soldatenräte über das ganze Reich aus und erreichten schließlich auch Berlin, wo am 9. November die Abdankung Kaiser Wilhelms II. verkündet und die Republik ausgerufen wurde.
Auch in der Provinz versuchten die Räte, politische Macht und administrative Funktionen unter ihre Kontrolle zu bringen. Neben der Übernahme von Verwaltungsaufgaben wie der Lebensmittelversorgung fand man aber auch Zeit für die Opfer der alten Ordnung und schritt mancherorts zur Befreiung von Gefangenen.
Karl Schwedt, Jahrgang 1884 und von Beruf Bergmann, war am 3. August 1914 einberufen worden, hatte sich aber im September 1916 nach einem Aufenthalt im Feldlazarett nicht wieder zur Truppe zurückgemeldet, weil ihn, wie es in einem seiner Gnadengesuche heißt, plötzlich unüber windbare Sehnsucht nach seiner Familie gepackt hatte. Seine Frau litt an Gebärmutterkrebs, das jüngere seiner beiden Kinder hatte er noch nie gesehen. Schwedt wurde im Mai 1917 wegen Feigheit und Fahnenflucht zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre sowie Entfernung aus dem Heer verurteilt.
Just am 9. November 1918 wurde Schwedt, wie der Entlassungsvermerk in seiner Haftakte protokolliert, „durch das bewaffnete Eindringen und Eingreifen des Soldatenrats aus der Haft befreit“ und erhielt obendrein in ungetrübter Fortsetzung traditioneller bürokratischer Ordnung den im Zuchthaus Werden erarbeiteten Lohn sowie persönliche Utensilien ausgehändigt.
LAV NRW W, Q 926/Justizvollzugsanstalt Werl, Nr. 859