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Online-Ausstellung: 100 Jahre Kriegsende und Revolution

Im Jahr 2018 thematisierte die Abteilung Westfalen in der Reihe "Archivale des Monats" die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ und widmet sich aus Anlass des 100. Jahrestages dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Novemberrevolution mit ihren Folgen. Dem komplexen Ineinandergreifen verschiedener Handlungsebenen entsprechen die ausgewählten Dokumente insofern, als sie sowohl das Geschehen auf Reichsebene wie auch Ereignisse in Westfalen schlaglichtartig in den Blick nehmen. Chronologisch greifen sie zudem über das Jahr 1918 hinaus, um auch die weitere turbulente Umbruchszeit zu beleuchten.

Januar: Rückschau als Ausblick auf den „Siegfrieden“

Nachdem die Ostfront durch die Oktoberrevolution im Russi­schen Kaiserreich bereits erheblich entlastet worden war, er­laubte der mit der jungen Sowjetunion am 3. März 1918 ge­schlossene Friede von Brest-Litowsk eine Konzentration der Kräfte auf die Westfront. Dort begann im März die so genannte Frühjahrsoffensive, die in mehreren Operationen bis Juli aber nur zeitweise geringfü­gigen Erfolg hatte und daher zur Demoralisierung der Soldaten erheblich beitrug. Ob das auf den Sommer 1918 zu datierende Plakat vor diesem Hintergrund an der Front oder in der Heimat die Stimmung verbessern konnte, ist wohl eher zu bezweifeln....

Nachdem die Ostfront durch die Oktoberrevolution im Russi­schen Kaiserreich bereits erheblich entlastet worden war, er­laubte der mit der jungen Sowjetunion am 3. März 1918 ge­schlossene Friede von Brest-Litowsk eine Konzentration der Kräfte auf die Westfront. Dort begann im März die so genannte Frühjahrsoffensive, die in mehreren Operationen bis Juli aber nur zeitweise geringfü­gigen Erfolg hatte und daher zur Demoralisierung der Soldaten erheblich beitrug. Ob das auf den Sommer 1918 zu datierende Plakat vor diesem Hintergrund an der Front oder in der Heimat die Stimmung verbessern konnte, ist wohl eher zu bezweifeln.

Aufgrund der erlittenen Verluste, der zunehmenden Versor­gungsschwierigkeiten und der Stärkung der Entente durch US-amerikanische Truppen verlor die deutsche Heeresleitung alle Optionen auf weitere Initiativen und musste schließlich um Aufnahme von Friedensverhandlungen bitten.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 638

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Februar: Reichskanzler zwischen Monarchie und Republik

Nach dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensive, dem Beginn des alliierten Vormarsches im August und dem Zusammenbruch des Verbündeten Bulgarien Mitte September forderte die Oberste Heeres­leitung die Reichsregierung am 29. September 1918 zur Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen auf. Während in wochenlangem Austausch diplomatischer Noten um Einzelheiten der Bedingungen gerungen wurde, kam es innenpolitisch zu einer grundlegenden Ver­fassungsänderung, durch die das Regierungssystem parlamentarisiert wurde. Der Kaiser ernannte am 3. Oktober Prinz Max von Baden zum Reichskanzler, in dessen Regierung u.a. auch die Sozialdemokraten eintraten...

Nach dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensive, dem Beginn des alliierten Vormarsches im August und dem Zusammenbruch des Verbündeten Bulgarien Mitte September forderte die Oberste Heeres­leitung die Reichsregierung am 29. September 1918 zur Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen auf. Während in wochenlangem Austausch diplomatischer Noten um Einzelheiten der Bedingungen gerungen wurde, kam es innenpolitisch zu einer grundlegenden Ver­fassungsänderung, durch die das Regierungssystem parlamentarisiert wurde. Der Kaiser ernannte am 3. Oktober Prinz Max von Baden zum Reichskanzler, in dessen Regierung u.a. auch die Sozialdemokraten eintraten.

Mit dem gezeigten Aufruf versuchte der Reichskanzler, unter Verweis auf die beginnenden Verhandlungen mit den Alliierten einer weiteren Ausbreitung jener Unruhen entgegenzuwirken, die am 24. Oktober mit dem Matrosenaufstand gegen den Flottenbefehl zu einer letzten See­schlacht begonnen und zur Bildung von Soldatenräten in Kiel geführt hatten. Schon drei Tage später jedoch erreichte die Revolution Berlin und veranlasste Max von Baden, sein Amt an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zu übergeben, der dann auch die Verantwortung für den Waffenstillstand vom 11. November übernehmen musste.

Mit ihrer Flucht aus der Verantwortung legte die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg den Keim für die spätere „Dolchstoßlegen­de“ und belastete die Weimarer Republik mit einer schweren Hypo­thek.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 1329

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März: Monarchensturz und Gefangenenbefreiung

Nach dem Kieler Matrosenaufstand Ende Oktober 1918 breiteten sich Arbeiter- und Soldatenräte über das ganze Reich aus und erreichten schließlich auch Berlin, wo am 9. November die Abdankung Kaiser Wil­helms II. verkündet und die Republik ausgerufen wurde...

Nach dem Kieler Matrosenaufstand Ende Oktober 1918 breiteten sich Arbeiter- und Soldatenräte über das ganze Reich aus und erreichten schließlich auch Berlin, wo am 9. November die Abdankung Kaiser Wil­helms II. verkündet und die Republik ausgerufen wurde.

Auch in der Provinz versuchten die Räte, politische Macht und administra­tive Funktionen unter ihre Kontrolle zu bringen. Neben der Übernahme von Verwaltungsaufgaben wie der Lebensmittelversorgung fand man aber auch Zeit für die Opfer der alten Ordnung und schritt mancherorts zur Be­freiung von Gefangenen.

Karl Schwedt, Jahrgang 1884 und von Beruf Bergmann, war am 3. August 1914 einberufen worden, hatte sich aber im September 1916 nach einem Aufenthalt im Feldlazarett nicht wieder zur Truppe zurückgemeldet, weil ihn, wie es in einem seiner Gnadengesuche heißt, plötzlich unüber wind­bare Sehnsucht nach seiner Familie gepackt hatte. Seine Frau litt an Ge­bärmutterkrebs, das jüngere seiner beiden Kinder hatte er noch nie gese­hen. Schwedt wurde im Mai 1917 wegen Feigheit und Fahnenflucht zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Eh­renrechte auf zehn Jahre sowie Entfernung aus dem Heer verurteilt.

Just am 9. November 1918 wurde Schwedt, wie der Entlassungsvermerk in seiner Haftakte protokolliert, „durch das bewaffnete Eindringen und Ein­greifen des Soldatenrats aus der Haft befreit“ und erhielt obendrein in un­getrübter Fortsetzung traditioneller bürokratischer Ordnung den im Zucht­haus Werden erarbeiteten Lohn sowie persönliche Utensilien ausgehän­digt.

LAV NRW W, Q 926/Justizvollzugsanstalt Werl, Nr. 859

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April: Ruhe und Ordnung im Umbruch

Angesichts der Ausbreitung von Arbeiter- und Soldatenräten im Reichsgebiet und der Ausrufung der Republik am 9. November sahen viele regionale und lokale Verwaltungsbehörden die öf­fentliche Ordnung und insbesondere die aufgrund des immer noch nicht beendeten Krieges schwierige Versorgung der Be­völkerung mit Lebensmitteln bedroht...

Angesichts der Ausbreitung von Arbeiter- und Soldatenräten im Reichsgebiet und der Ausrufung der Republik am 9. November sahen viele regionale und lokale Verwaltungsbehörden die öf­fentliche Ordnung und insbesondere die aufgrund des immer noch nicht beendeten Krieges schwierige Versorgung der Be­völkerung mit Lebensmitteln bedroht.

Die Proklamation des Bürener Landrats Winkelmann versucht, die von der unklaren Lage ausgehenden anarchischen Versu­chungen im Keim zu ersticken und mündet in einem Aufruf zur Ruhe als erster Bürgerpflicht, der – vermutlich ohne sich des­sen bewusst zu sein – fast wörtlich jenen legendären Appell wiederholt, der im Oktober 1806 nach der vernichtenden Nie­derlage Preußens gegen Napoleon bei Jena in Berlin verbreitet wurde: „Der König hat eine Bataille verloren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht!“

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 706

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Mai: Rückkehr ins zivile Leben

Aufgrund der Einberufungen und der Umstellung auf die Kriegswirt­schaft war die Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich bis 1917 auf unter 1% gesunken bzw. wurde durch einen Arbeitskräftemangel abgelöst, den das Hilfsdienstgesetz vom Dezember 1916 durch die Möglichkeit zu Dienstverpflichtungen und Umsetzungen in kriegswichtige Betriebe zu bekämpfen versuchte. Dabei wurde die Einflussnahme auf den Arbeitsmarkt dadurch behindert, dass eine einheitliche staatliche Bü­rokratie auf Reichsebene zunächst fehlte und nicht alle Kommunen über „öffentliche Arbeitsnachweise“ (heute: Jobcenter) verfügten...

Aufgrund der Einberufungen und der Umstellung auf die Kriegswirt­schaft war die Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich bis 1917 auf unter 1% gesunken bzw. wurde durch einen Arbeitskräftemangel abgelöst, den das Hilfsdienstgesetz vom Dezember 1916 durch die Möglichkeit zu Dienstverpflichtungen und Umsetzungen in kriegswichtige Betriebe zu bekämpfen versuchte. Dabei wurde die Einflussnahme auf den Arbeitsmarkt dadurch behindert, dass eine einheitliche staatliche Bü­rokratie auf Reichsebene zunächst fehlte und nicht alle Kommunen über „öffentliche Arbeitsnachweise“ (heute: Jobcenter) verfügten.

Als mit Ende des Krieges eine rasch ansteigende Arbeitslosigkeit drohte, bemühten sich daher so verschiedene Institutionen wie das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsamt für wirtschaftliche De­mobilmachung oder das Kriegsministerium um die Integration der demobilisierten Soldaten und entlassenen Dienstverpflichteten in den Arbeitsmarkt. Trotzdem stieg die Zahl der Arbeitslosen im Februar 1919 auf 1,1 Millionen, ging aber bis Dezember wieder auf weniger als die Hälfte zurück, nachdem man u.a. den Achtstundentag und Kurzarbeit eingeführt sowie die im Krieg eingestellten Frauen entlas­sen hatte.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 232

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Juni: Quotierte Quartiere

Als am 11. November 1918 der Waffen­stillstand in Kraft trat, befanden sich noch etwa 6 Millionen deutsche Solda­ten an den Fronten. Zwar existierten Pläne für eine Demobilisierung, doch waren sie auf einen geordneten und langsamen Prozess nach einem sieg­reichen Kriegsende ausgerichtet. Die Alliierten forderten nun jedoch die Räu­mung der besetzten Gebiete und die Demobilmachung innerhalb weniger Wochen...

Als am 11. November 1918 der Waffen­stillstand in Kraft trat, befanden sich noch etwa 6 Millionen deutsche Solda­ten an den Fronten. Zwar existierten Pläne für eine Demobilisierung, doch waren sie auf einen geordneten und langsamen Prozess nach einem sieg­reichen Kriegsende ausgerichtet. Die Alliierten forderten nun jedoch die Räu­mung der besetzten Gebiete und die Demobilmachung innerhalb weniger Wochen.

Die improvisierte Rückführung der Truppen in ihre Heimatgarnisonen wurde begleitet und überlagert von der massenhaften Heimkehr jener Soldaten, die ihre Verbände verlassen und sich selbständig auf den Weg gemacht hat­ten. Insbesondere Zentren der militäri­schen Infrastruktur wie Münster (Stand­ort des Generalkommandos des VII. Armeekorps und diverser Regimenter) wurden vor erhebliche logistische Pro-bleme gestellt.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 2453

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Juli: Das Ruhrgebiet als Unruheherd

Nachdem es bereits im Januar 1918 reichsweit zu einer be­deutenden Streikwelle mit der Bildung von Arbeiterräten ge­kommen war, häuften sich seit November insbesondere im Bergbau wieder kleinere und größere Streiks. Dabei misch­ten sich Forderungen nach Lohnerhöhung und Arbeitszeit­verkürzung mit Bestrebungen, den Bergbau zu sozialisieren...

Nachdem es bereits im Januar 1918 reichsweit zu einer be­deutenden Streikwelle mit der Bildung von Arbeiterräten ge­kommen war, häuften sich seit November insbesondere im Bergbau wieder kleinere und größere Streiks. Dabei misch­ten sich Forderungen nach Lohnerhöhung und Arbeitszeit­verkürzung mit Bestrebungen, den Bergbau zu sozialisieren. Als der im Dezember in Berlin tagende Reichsrätekongress genau eine solche Sozialisation der Gruben beschloss, der Rat der Volksbeauftragten diese Entscheidung jedoch nur zöger­lich umzusetzen begann, inten­sivierten sich im Ruhrgebiet wie hier in Duisburg-Hamborn Streiks und Protestversamm­lungen.

LAV NRW W, W 201/Bildersammlung, Nr. 341/1

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August: Demobilisierung vor Ort

Nachdem sich schon während der großen Streikwelle im Januar 1918 in Berlin ein Arbeiterrat nach sowjetischem Vorbild gebildet hatte, entstanden im Zuge der No­vemberrevolution im ganzen Reich Arbeiter- und Soldatenräte, die die politische Macht und exekutive Funktionen vor Ort übernahmen. Im Vordergrund standen dabei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Brennstoffen und sonstigen Gü­tern...

Nachdem sich schon während der großen Streikwelle im Januar 1918 in Berlin ein Arbeiterrat nach sowjetischem Vorbild gebildet hatte, entstanden im Zuge der No­vemberrevolution im ganzen Reich Arbeiter- und Soldatenräte, die die politische Macht und exekutive Funktionen vor Ort übernahmen. Im Vordergrund standen dabei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Brennstoffen und sonstigen Gü­tern.

Da nach dem Waffenstillstand viele Soldaten ungeordnet und bewaffnet  zurück­gekehrt waren, galt es zudem, die etwa durch Verkauf verstreuten Waffen wieder einzusammeln. Der Arbeiter- und Soldatenrat zu Ickern (Castrop-Rauxel) konnte sich bei seiner Bekanntmachung auf eine Verordnung des Rates der Volksbeauf­tragten in Berlin vom 14. Dezember 1918 stützen, die den unbefugten Besitz von Schusswaffen untersagt und die Ablieferung aller Militärwaffen angeordnet, aller­dings auf die Androhung standrechtlicher Erschießungen verzichtet hatte. Dass diese Bemühungen wohl auch deshalb ebenso wie eine weitere Verordnung vom 30. Januar 1919 sowie ein Gesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung vom 7. August 1920 reichsweit ohne nachhaltigen Erfolg blieben, sollte sich später in den gewaltsamen Kämpfen der Weimarer Republik zeigen.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 1328

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September: Räte gegen Soldaten?

Im Frühjahr 1919 bildete das rheinisch-westfälische Industriegebiet einen der größten Unruheherde im Deutschen Reich. Mehr als die Hälfte aller ‚Ruhrkumpel‘ befand sich im Ausstand und forderte die Kontrolle oder gänzliche Übernahme („Sozialisierung“) der Industriebetriebe durch die Arbeiterschaft. Triebfeder des Widerstands waren die Arbeiter- und Sol­datenräte. Ihr im Zuge der Novemberrevolution errungenes politisches Mandat wollten sie keinesfalls mehr abgeben...

Im Frühjahr 1919 bildete das rheinisch-westfälische Industriegebiet einen der größten Unruheherde im Deutschen Reich. Mehr als die Hälfte aller ‚Ruhrkumpel‘ befand sich im Ausstand und forderte die Kontrolle oder gänzliche Übernahme („Sozialisierung“) der Industriebetriebe durch die Arbeiterschaft. Triebfeder des Widerstands waren die Arbeiter- und Sol­datenräte. Ihr im Zuge der Novemberrevolution errungenes politisches Mandat wollten sie keinesfalls mehr abgeben – auch dann nicht, als die weitere politische Entwicklung längst in verfassungsmäßige Bahnen zu­rückgefunden hatte. So war bereits Ende Januar 1919 eine verfassungs­gebende Nationalversammlung gewählt worden, die am 9. Februar in Weimar ein Gesetz verabschiedet hatte, das die „Reichsgewalt“ in die Hände einer parlamentarisch legitimierten Übergangsregierung legte.

Das hier gezeigte Plakat kann neben dem anhaltenden Ringen zwischen Räte- und Parlamentsmacht auch für den Schulterschluss stehen, den die neue Ordnung mit dem Militär eingegangen war. Seit Dezember 1918 wurden die mit dem Waffenstillstand von Compiègne (11. November) zur neutralen Zone erklärten rechtsrheinischen Gebiete im Einvernehmen mit den Entente-Mächten schrittweise remilitarisiert. Ziel war dabei nicht, wie offiziell verlautbart, der Aufbau eines „Westgrenzschutzes“, sondern die Unterdrückung revolutionärer Bestrebungen im Inneren. Vor diesem Hin­tergrund sind wohl auch Demobilisierungsversuche durch kommunisti­sche Bezirkssoldatenräte zu verstehen, vor denen der Plakattext warnt.

Am 31. März schließlich verhängte das Kabinett Scheidemann den Bela­gerungszustand über das Ruhrgebiet. Zwar beruhigte sich die Situation bis Ende April, doch sollten schon ein Jahr später im „Ruhrkampf“ erneut blutige Auseinandersetzungen entbrennen.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 1332

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Oktober: Großgrundbesitz in revolutionären Zeiten

Einige Arbeiter- und Soldatenräte im ländlichen Raum ergriffen in der Um­bruchzeit 1918/1919 Initiativen, um den Großgrundbesitz zugunsten von Pächtern oder landlosen Siedlern aufzuteilen. Auch wenn von entschädigungsloser Enteig­nung keine Rede war, stießen solche Pläne bei den (häufig adeligen) Eigentü­mern auf Unverständnis und Abwehr...

Einige Arbeiter- und Soldatenräte im ländlichen Raum ergriffen in der Um­bruchzeit 1918/1919 Initiativen, um den Großgrundbesitz zugunsten von Pächtern oder landlosen Siedlern aufzuteilen. Auch wenn von entschädigungsloser Enteig­nung keine Rede war, stießen solche Pläne bei den (häufig adeligen) Eigentü­mern auf Unverständnis und Abwehr.

Eine entsprechende Eingabe aus Erwitte hatte der Rentmeister des Grafen von Landsberg-Velen, der dort zu den größten Grundbesitzern gehörte, an seinen Kolle­gen auf Schloss Antfeld geschickt. Des­sen Kommentar läßt nicht nur einen of­fenbar salonfähigen Antisemitismus er­kennen, sondern auch eine womöglich berufsbedingte Realitätsferne: Zunächst verwundert sich der Rentmeister über „eine gewisse Animosität“ gegen adelige Großgrundbesitzer, dann schildert er im nächsten (hier nicht abgebildeten) Ab­satz, dass er erst vor wenigen Monaten auf Befehl seines Dienstherrn, des Ba­rons von Papen-Lohe, eine Erhöhung der Pachtsätze um 100% durchsetzen muss-te, die erst nach Protesten wieder um die Hälfte reduziert wurde.

LAV NRW W, U 160/Gesamt­archiv von Landsberg-Velen (Dep.), Neuere Registratur, Nr. 2664

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November: Abstimmungen und Aufstände

Zu den Bestimmungen des am 28. Juni 1919 unterzeichneten Friedensver­trages von Versailles gehörte die Abtretung sämtlicher Kolonien und bedeu­tender territorialer Teile des Deutschen Reiches, darunter Elsass-Lothringen. Zusätzlich sollten in weiteren Gebieten Plebiszite über die künftige Zugehö­rigkeit durchgeführt werden. Zu diesen so genannten „Abstimmungsgebieten“ gehörte Oberschlesien, wo am 20. März 1921 knapp 60% der Bevölkerung für den Verbleib im Deutschen Reich stimmten...

Zu den Bestimmungen des am 28. Juni 1919 unterzeichneten Friedensver­trages von Versailles gehörte die Abtretung sämtlicher Kolonien und bedeu­tender territorialer Teile des Deutschen Reiches, darunter Elsass-Lothringen. Zusätzlich sollten in weiteren Gebieten Plebiszite über die künftige Zugehö­rigkeit durchgeführt werden. Zu diesen so genannten „Abstimmungsgebieten“ gehörte Oberschlesien, wo am 20. März 1921 knapp 60% der Bevölkerung für den Verbleib im Deutschen Reich stimmten. Gleichwohl wurden im Ein­klang mit entsprechenden Klauseln des Versailler Vertrages jene östlichen Teile Oberschlesiens, in denen eine Mehrheit für Polen gestimmt hatte, vom Reich abgetrennt, darunter die stark industrialisierte Region um Kattowitz.

Vor und nach dem Plebiszit gab es von 1919 bis 1921 insgesamt drei Auf­stände der polnischen Bevölkerung mit dem Ziel, Oberschlesien der Zweiten polnischen Republik anzugliedern. Organisiert wurden die Aufstände vom polnischen Plebiszitkommissar für Oberschlesien Wojciech Korfanty, der vor der Unabhängigkeit Polens von 1903 bis 1912 als erster  Abgeordneter für die Polenpartei im Deutschen Reichstag gesessen hatte. Alle drei Aufstände wurden von deutschen Freikorps niedergeschlagen. Auf dem gezeigten Pla­kat werden weitere Freiwillige für den Kampf gegen die Aufständischen an­geworben.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 2899

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Dezember: Flucht aus der Heimat

Zwar waren die großen Auswanderungswellen des 19. Jahrhunderts bereits vor dem Ersten Weltkrieg abgeebbt, doch sorgten der Verlust abzutretender Gebiete, die Umwälzungen durch Krieg und Revolution und später die Inflation auch nach 1918 für weiter Wanderungsbewe­gungen. Bereits seit 1897 war für Auswanderer eine obligatorische Beratung vorgeschrieben, die ab Mai 1919 vom Reichsamt für deut­sche Einwanderung, Rückwanderung und Auswanderung (kurz Reichswanderungsamt) bzw. dessen Zweigstellen überall im Reich durchgeführt wurde...

Zwar waren die großen Auswanderungswellen des 19. Jahrhunderts bereits vor dem Ersten Weltkrieg abgeebbt, doch sorgten der Verlust abzutretender Gebiete, die Umwälzungen durch Krieg und Revolution und später die Inflation auch nach 1918 für weiter Wanderungsbewe­gungen. Bereits seit 1897 war für Auswanderer eine obligatorische Beratung vorgeschrieben, die ab Mai 1919 vom Reichsamt für deut­sche Einwanderung, Rückwanderung und Auswanderung (kurz Reichswanderungsamt) bzw. dessen Zweigstellen überall im Reich durchgeführt wurde. Ziel der staatlichen Beratung war es, einerseits die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte zu verhindern, andererseits Auswanderung zur Bewahrung des „Deutschtums“ in solche Länder zu lenken, die (wie etwa in Südamerika) geschlossene deutsche Ansied­lungen ermöglichten.

Da das Reichswanderungsamt im Zuge des Abbaus der Reichsver­waltung bereits im April 1924 wieder aufgelöst wurde, kann die Wir­kung dieser Emigrationspolitik kaum eingeschätzt werden. Immerhin blieben die etwa 600.000 Auswanderungen von 1919 bis 1932 weit von dem befürchteten Massenexodus entfernt.

LAV NRW W, W 351/Plakatsammlung, Nr. 2816

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