Bauer, Pflug und Scholle (Online-Ausstellung)
Nachdem 1862 und 1868 erste lokale Bauernvereine in Wettringen und Westerholt gegründet worden waren, konstituierte sich vor 150 Jahren, am 30. November 1871, auf Initiative des Freiherrn Burghard von Schorlemer-Alst (1825-1895) der „Westfälische Bauernverein“ und bildete so die erste landwirtschaftliche Standesorganisation im frisch proklamierten Deutschen Reich. Aus diesem Anlass widmet sich das Archivale des Monats der Abteilung Westfalen in diesem Jahr dem bäuerlichen Beruf, seiner Arbeit, seinem Umfeld und nicht zuletzt den Bildern, die darüber in der Öffentlichkeit kursierten und bisweilen politisch instrumentalisiert wurden.
März: Dörfer mit und Dörfer ohne Bauern
Bäuerliche Wohnstätten verteilten sich in der Vormoderne auf zwei verschiedene Arten über Westfalen: Während im Münsterland und Sauerland die Höfe weit über das Land verstreut lagen, siedelten in Ostwestfalen und am Hellweg die Bauern mit ihren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden überwiegend in den Dörfern und hatten deshalb meist längere Wege zu ihren Feldern.
Umgekehrt waren die Dörfer in den Streusiedlungsgebieten oft kleiner, da sich nur die Häuser von Handwerkern, Händlern und anderen Gewerbetreibenden um die Kirchspielskirche scharten. Ein solches Bild bot etwa Südlohn, als es 1597 zur Planung einer Befestigungsanlage kartiert wurde. Um das Dorf liegen Gärten und kleine Felder der Einwohner, die indessen dort genauso wirtschaften wie die Bauern auf ihren Ländereien.
LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 1817.
April: Sonntagsstaat auf dem Lande
Wie andere Berufsgruppen auch verfügten zumindest besser gestellte Bäuerinnen und Bauern neben der Alltagskleidung über eine Garnitur repräsentativer Tracht, die für den sonntäglichen Kirchgang oder andere festliche Anlässe wie Hochzeiten oder Erntedank angelegt wurde.
Die dafür gebräuchliche Bezeichnung (Sonntags-) Staat hat keinerlei verfassungsrechtlichen Bezug, sondern knüpft an die alte Bedeutungsvariante Ausstattung an. In diesem Sinn bedeutet etwa mittelniederdeutsch stāt auch Aufwand oder frühneuhochdeutsch Stat u.a. Pracht. Alle Varianten wurzeln im lateinischen status.
LAV NRW W, V 602/Brau und Brunnen AG, Dortmund (Dep.), Nr. 84 und 85.
Mai: Beistand vom heiligen Fachmann
Isidor von Madrid (um 1070-1130) war einfacher Landarbeiter eines spanischen Adeligen und soll sich durch Fleiß, Gehorsam, Hilfsbereitschaft und Frömmigkeit ausgezeichnet haben. Unter den ihm zugeschriebenen Wundern findet sich auch die Hilfsaktion eines Engels, der, als Isidor unter einem Baum eingeschlafen war, dessen Feld bestellte.
Isidor wurde 1622 heilig gesprochen und erscheint auf Darstellungen meist mit einem einfachen Spaten. Als Schutzpatron der Bauern soll er gegen Dürre helfen und für eine gute Ernte sorgen.
Joseph Weigert (1870-1946) wirkte als Pfarrer in der Oberpfalz und publizierte neben diesem Gebetbuch etwa ein Dutzend weiterer Schriften, die sich vornehmlich an die bäuerliche Landbevölkerung richteten.
LAV NRW W, V 510/Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Münster (Dep.), Haus Brunn – Brunn, Nr. 39.
Juli: Landvolk als Wahlvolk
Während gegenwärtig nur ca. 1,5% aller Beschäftigten in der Landwirtschaft arbeiten, war es um 1930 noch etwa ein Drittel. Entsprechend intensiv umwarben die politischen Parteien vor Wahlen die Landbevölkerung. Bei der Wahl des Reichspräsidenten 1932 setzte sich der seit 1925 amtierende ehemalige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg im zweiten Wahlgang am 10. April mit 53% gegen seine Konkurrenten Hitler (37%) und Ernst Thälmann (10%) durch. Zur Reichstagswahl am 5. März 1933 trat die NSDAP als Liste 1 an, weil sie in den beiden Wahlen von 1932 zur stärksten Partei im Reichstag aufgestiegen war. Trotz massiver Gewalt gegen die linken Parteien und auf der Straße erhielt die NSDAP mit 43,9% keine absolute Mehrheit. Das Plakat gestaltete der Illustrator und Schriftsteller Felix Albrecht (1900-1980), der schon 1927 in die NSDAP eingetreten war.
LAV NRW W, W 401/Druckschriftensammlung, Nr. 4295 und W 351/Plakatsammlung, Nr. 2288.
Dezember: Bäuerlicher Spagat zwischen Nahrungsproduktion, Landschaftspflege und Tierschutz
Die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) wurde 1947 unter dem Namen „Aktion Landjugend“ gegründet. Nachdem zunächst die Förderung dörflicher Geselligkeit und landwirtschaftliche Ausbildung im Zentrum der Vereinsarbeit standen, rückten in den 1980er Jahren Ökologie und Entwicklung des ländlichen Raums in den Vordergund. Seit 1993 sind die „72 Stunden“ dazugekommen, in denen Jugendliche in Aktionsgruppen Aufgaben und Projekte im sozialen Bereich in drei Tagen realisieren sollen.
Die Ausgabe der gezeigten „Aktie“ scheint eine regionale Initiative der KLJB Münsterland gewesen zu sein; die thematisierten Problemfelder bäuerlichen Wirtschaftens haben an Aktualität nichts eingebüßt.
LAV NRW W, W 401 Druckschriftensammlung Nr. 5305.