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Schuld und Sühne (ARCHIVALE DES MONATS DER ABTEILUNG WESTFALEN)

Vor 800 Jahren, am 7. November 1225, wurde der Kölner Erzbischof, Graf Engelbert von Berg, auf dem Weg von Soest nach Köln in der Nähe der heutigen Stadt Gevelsberg überfallen und ermordet. Er wurde Opfer einer Verschwörung mehrerer westfälischer Adeliger, die sich durch den Ausbau der kölnischen Landesherrschaft in eigenen Machtpositionen bedroht sahen. Während Graf Friedrich von Isenberg als ein...

Vor 800 Jahren, am 7. November 1225, wurde der Kölner Erzbischof, Graf Engelbert von Berg, auf dem Weg von Soest nach Köln in der Nähe der heutigen Stadt Gevelsberg überfallen und ermordet. Er wurde Opfer einer Verschwörung mehrerer westfälischer Adeliger, die sich durch den Ausbau der kölnischen Landesherrschaft in eigenen Machtpositionen bedroht sahen. Während Graf Friedrich von Isenberg als einer der Drahtzieher des ursprünglich wohl lediglich als Entführung geplanten Anschlags ein Jahr später gefasst und in Köln gerädert wurde, erfährt Engelbert in der katholischen Kirche bis heute die Verehrung als Heiliger.

Anlässlich dieses spektakulären Kriminalfalls bietet das Archivale des Monats der Abteilung Westfalen des Landesarchivs 2025 eine Auswahl jener Spuren, die Menschen im Lauf der Jahrhunderte durch ihr Fehlverhalten und ihre Reue, ihre Sünden und ihre Buße, ihre Verbrechen und ihre Bestrafung in archivischen Quellen hinterlassen haben. Die Überschrift zur Reihe zitiert dabei die geläufigste deutsche Übersetzung des Titel jenes berühmten Romans, den Fjodor Dostojeswkij vor genau 160 Jahren rund um den Jura-Studenten Raskolnikow zu entwerfen begann.

Mit der abgebildeten Urkunde (LAV NRW W, B 214u/Kloster Marienfeld, Urkunden, Nr. 40) und seinem links angehängten Siegel bestätigte Erzbischof Engelbert im Jahr 1221 dem Kloster Marienfeld den Besitz des Gutes und der Kirche zu Stapellage.

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Januar: Römisches Recht in germanischer Provinz

Seit den Feldzügen des Kaisers Augus­tus um 10 v.Chr. standen die linksrheini­schen Gebiete unter römischer Herr­schaft. Zur Verwaltung der später in die Provinzen Germania inferior und supe­rior unterteilten Region gehörte die Ein­richtung von Gerichtsstätten in römi­schen Siedlungen und Militärlagern, wo zunächst Statthalter, später spezielle Beamte wie Prätoren Recht sprachen. Weitere Feldzüge ...

Seit den Feldzügen des Kaisers Augus­tus um 10 v.Chr. standen die linksrheini­schen Gebiete unter römischer Herr­schaft. Zur Verwaltung der später in die Provinzen Germania inferior und supe­rior unterteilten Region gehörte die Ein­richtung von Gerichtsstätten in römi­schen Siedlungen und Militärlagern, wo zunächst Statthalter, später spezielle Beamte wie Prätoren Recht sprachen. Weitere Feldzüge östlich des Rheins führten zu einer mehr oder weniger in­tensiven römischen Durchdringung bis zur Elbe. Seit 7 n.Chr. war Publius Quinctilius Varus Statthalter in Germa­nien und versuchte, die römische Herr­schaft durch Straffung der Steuererhe­bung und Rechtsprechung auszubauen.

Das gezeigte Schulwandbild aus dem Tellus-Verlag entstand um 1952 und soll offenbar illustrieren, wie Varus bei der Durchsetzung römischen Rechts im rechtsrheinischen Germanien auf den Widerstand der skeptisch-aufrechten Bevölkerung stieß und damit zu deren späterem Aufstand beitrug, der in jene legendäre Schlacht mündete, die nach heutigen Wissensstand allerdings nicht im Teutoburger Wald, sondern bei Kalk­riese im Wiehengebirge stattfand.

LAVNRW W, W 351 / Plakatsammlung Nr. 3660.

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Februar: Bußrabatt für Sündenfälle

Die religiös-christliche Vorstellung oder auch Hoffnung, sich von befristeten Sün­denstrafen durch Bußwerke befreien zu können, entstand erst im Mittelalter und entwickelte sich ab dem 11. Jahrhundert zu jenem ausdifferenzierten Ablasswe­sen, das im 16. Jahrhundert den Anstoß zur Reformation gab. Das gezeigte Privileg vom 2. Januar 1342 verspricht den Besuchern bestimmter Messen in der Stifts...

Die religiös-christliche Vorstellung oder auch Hoffnung, sich von befristeten Sün­denstrafen durch Bußwerke befreien zu können, entstand erst im Mittelalter und entwickelte sich ab dem 11. Jahrhundert zu jenem ausdifferenzierten Ablasswe­sen, das im 16. Jahrhundert den Anstoß zur Reformation gab. 

Das gezeigte Privileg vom 2. Januar 1342 verspricht den Besuchern bestimmter Messen in der Stiftskirche zu Frönden­berg und den Spendern von Dotationen an das Kloster einen Ablass von 40 Ta­gen, also eine entsprechende Verkürzung der Verweildauer im Fegefeuer. Die Ur­kunde war von 12 Bischöfen und einem Erzbischof besiegelt und wurde in gro­ßem Format (64 x 87cm) gefertigt – ver­mutlich zur öffentlichen Präsentation in der Kirche.

In der überdimensionierten Initiale sind Christus mit einem Regenbogen sowie zwei Engel zu erkennen, während der Text von Darstellungen der heiligen Maria (rechts unten) und Margareta (links un­ten) sowie der zwölf Apostel umrahmt wird.

LAV NRW W, W 701/ Urkundenselekt Nr. AB 4.

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März: Von der Brandschatzung zur Klosterstiftung

In den kriegerischen Wirren des im 11. Jahrhundert ausgebrochenen Investiturstreites zwischen Papsttum und römisch-deutschem Kaiser wurde im Frühjahr 1121 die Stadt Münster Ziel eines militärischen Angriffs durch papsttreue Truppen, in dessen Verlauf am 7. Mai 1121 der Dom abbrannte. Dafür wurde Graf Gottfried von Cappenberg verantwortlich gemacht, der (wie andere beteiligte Anführer auch) von Kai...

In den kriegerischen Wirren des im 11. Jahrhundert ausgebrochenen Investiturstreites zwischen Papsttum und römisch-deutschem Kaiser wurde im Frühjahr 1121 die Stadt Münster Ziel eines militärischen Angriffs durch papsttreue Truppen, in dessen Verlauf am 7. Mai 1121 der Dom abbrannte. Dafür wurde Graf Gottfried von Cappenberg verantwortlich gemacht, der (wie andere beteiligte Anführer auch) von Kaiser Heinrich V. wegen Hochverrats angeklagt wurde. Wenig später hörte Gottfried auf einer Pilgerreise Predigten des Norbert von Xanten, des Gründers des Prämonstratenserordens, und beschloss unter diesem Eindruck, dem Orden seine gesamten Besitztümer zu übertragen und seine Burg Cappenberg in ein Kloster zu verwandeln (das erste Prämonstratenserkloster im deutschen Raum). Ob diese wegen diverser Machtkonstellationen und familiärer Verbindungen für Westfalen wegweisende Entscheidung tatsächlich aus Reue über das begangene Sakrileg erfolgte oder doch auch als Flucht vor einer drohenden Reichsacht, verraten die Quellen nicht mit letzter Gewissheit. 

Das Kloster wurde nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg um 1700 umgebaut, nach der Säkularisation 1803 als Gutsdomäne genutzt und 1816 vom preußischen Minister Freiherr vom Stein erworben. 

LAVNRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 906 und W 201/Bildersammlung, Nr. 286.

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April: Rechtsprechung unterm Lindenbaum

Die Justiz im deutschen Spätmittelalter war gekennzeichnet durch eine Vielzahl konkurrierender Gerichte, deren geographische und inhaltliche Zuständigkeiten kaum eindeutig voneinander abgegrenzt waren. Im 13. Jahrhundert bildeten sich besonders in Westfalen so genannte Femegerichte, die unter Vorsitz eines Freigrafen mit sieben Freischöffen zumeist unter freiem Himmel über schwere Delikte wie Mord...

Die Justiz im deutschen Spätmittelalter war gekennzeichnet durch eine Vielzahl konkurrierender Gerichte, deren geographische und inhaltliche Zuständigkeiten kaum eindeutig voneinander abgegrenzt waren. Im 13. Jahrhundert bildeten sich besonders in Westfalen so genannte Femegerichte, die unter Vorsitz eines Freigrafen mit sieben Freischöffen zumeist unter freiem Himmel über schwere Delikte wie Mord, Raub, Brandstiftung u.ä. verhandelten und die im Schuldfalle ohne Berufungsmöglichkeit verhängten Todesurteile sofort vollstreckten bzw. abwesende Angeklagte „verfemten“. Da zudem die Prozesse am Freistuhl teilweise geheim stattfanden, gerieten die Femegerichte in späterer Zeit in zweifelhaften Ruf und wurden von der Romantik des 19. Jahrhunderts literarisch mystifiziert.

Offenbar vor diesem Hintergrund entstand um 1830 die Zeichnung des Dortmunder Freistuhls, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu den wichtigsten Femegerichten im Reich gehörte. Das Ensemble aus Steintisch und Linde, die nicht nur als Schattenspender fungierte, sondern symbolisch auch die Tradition der älteren Freigerichte fortsetzte, befand sich bis 1910 direkt neben dem Bahnhof, wurde dann an den Königswall verlegt und im Zweiten Weltkrieg zerstört.

LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 6493 und V 602/Sammlung Brau und Brunnen Dortmund (Dep.), Nr. 37.

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