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Kunst und Kultur in Westfalen (Archivale des Monats der Abteilung Westfalen)

Vor 75 Jahren finden in Recklinghausen jene Opern- und Theateraufführungen statt, mit denen sich die staatlichen Bühnen Hamburgs im Sommer 1947 bei den Bergleuten der Zeche „König Ludwig“ für spontane (und illegale) Kohlenlieferungen im vorangegangenen Winter bedanken und damit den Grundstein für die Ruhrfestspiele legen. Vor 150 Jahren, am 28. Januar 1872, konstituiert sich der Westfälische Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst mit dem Ziel, staatliche Kulturförderung in der Provinz Westfalen zu bündeln. Vor 200 Jahren, am 27. Februar 1822, werden die Statuten der Münsterschen Liedertafel genehmigt und begründen damit den ersten Männergesangsverein in Westfalen.

Vor dem Hintergrund dieser Jubiläen wirft das Archivale des Monats der Abteilung Westfalen des Landesarchivs 2022 einige Schlaglichter auf Kunst und Kultur im westfälischen Raum – ohne natürlich die Vielfalt ihrer Ausformungen auch nur ansatzweise andeuten zu können.

Januar: Dachverein zur Belehrung und Ergötzung

Nachdem seit den 1820er Jahren in Westfalen (wie in anderen Provinzen auch) zahlreiche Vereine mit wissenschaftlichen oder kulturellen Zielsetzungen entstanden waren, strebte man nach der Reichseinigung eine Bündelung dieser Aktivitäten an. Auf Initiative eines Honoratiorenkreises um den Oberpräsidenten Friedrich von Kühlwetter konstituierte sich am 28. Januar 1872 der Westfälische Provinzialverei...

Nachdem seit den 1820er Jahren in Westfalen (wie in anderen Provinzen auch) zahlreiche Vereine mit wissenschaftlichen oder kulturellen Zielsetzungen entstanden waren, strebte man nach der Reichseinigung eine Bündelung dieser Aktivitäten an. Auf Initiative eines Honoratiorenkreises um den Oberpräsidenten Friedrich von Kühlwetter konstituierte sich am 28. Januar 1872 der Westfälische Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst, dem viele bereits existierende Vereine als selbständige Sektionen beitraten.

Neben vielfältigen Projekten wie etwa der Inventarisierung der westfälischen Bau- und Kunstdenkmäler engagierte sich der Verein besonders für die Errichtung eines Provinzialmuseums, das in Kooperation mit dem bereits 1831 gegründeten Westfälischen Kunstverein schließlich 1908 in Münster eröffnet werden konnte und im LWL-Museum für Kunst und Kultur bis in die Gegenwart fortwirkt – wenngleich der nach Bombenschäden rekonstruierte Altbau 1974 durch einen modernen Erweiterungsbau ergänzt wurde, den wiederum 2014 das heutige Gebäude ersetzte.

Indessen löste sich der Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst 1931 auf, nachdem Weltkrieg und Inflation zu einem starken Mitgliederrückgang geführt hatten.

LAV NRW W, W 201 / Bildersammlung, Nr. 1727.

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Februar: In Freud‘ und Leid zum Lied bereit

Die Anfänge weltlichen Laien-Chorgesangs gehen auf jene Männer-Gesangvereine (MGV) zurück, die sich im Umfeld von Freiheitskriegen und Nationalbewegung und teilweise nach dem Vorbild der 1808 von Carl Friedrich Zelter in Berlin gegründeten Liedertafel seit Beginn des 19. Jahrhunderts zusammenfanden. Vor 200 Jahren, am 27. Februar 1822, bildete sich mit der Genehmigung der Statuten der Münstersch...

Die Anfänge weltlichen Laien-Chorgesangs gehen auf jene Männer-Gesangvereine (MGV) zurück, die sich im Umfeld von Freiheitskriegen und Nationalbewegung und teilweise nach dem Vorbild der 1808 von Carl Friedrich Zelter in Berlin gegründeten Liedertafel seit Beginn des 19. Jahrhunderts zusammenfanden.

Vor 200 Jahren, am 27. Februar 1822, bildete sich mit der Genehmigung der Statuten der Münsterschen Liedertafel der erste MGV Westfalens. Er rekrutierte sich anfänglich überwiegend aus preußischen Militär- und Justizbehörden, fand aber später (wie die anderen MGV auch) großen Zulauf aus allen bürgerlichen Kreisen – während im Arbeitermilieu seit den 1860er Jahren zu-mal im Ruhrgebiet eigene Chöre entstanden, die rasch und nicht ganz unzutreffend (insbesondere zur Zeit des Sozialistengesetzes 1878 bis 1890) der verdeckten politischen Agitation verdächtigt wurden und sich 1877 zum Ersten Deutschen Arbeiter-Sängerbund zusammenschlossen.

Nachdem bereits seit den 1840er Jahren regionale Sängerfeste veranstaltet worden waren, fand 1861 in Nürnberg ein erstes deutsches Gesangsfest statt, dem 1862 die Gründung des Deutschen Sängerbundes folgte. Nach der Reichseinigung häuften sich die gerne anlässlich von Stiftungsjubiläen der MGV organisierten Gesang-Wettbewerbe so stark, dass Pressekommentare die wirtschaftlichen Interessen der lokalen Gastronomie als treibende Kräfte vermuteten.

Frauen stand der (weltliche) Chorgesang zunächst offenbar nur indirekt als passive Mitgliedschaft in den MGV offen, bis sich diese teilweise zu gemischten Chören umbildeten.

LAV NRW W, K 001 / Oberpräsidium Münster, Nr. 3796 und 5496; K 201 / Regierung Münster, Nr. VII-49d.

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März: Musikpflege in westfälischer Adelslandschaft

Die Zeichnung gehört zu einem dreiseitigen Schreiben, mit dem Moritz Goswin von Ketteler 1729 seiner Schwester Maria Agnes zur Wahl zur Äbtissin des Klosters Gravenhorst gratulierte. Dass er die in stilisierter Demutshaltung und als Hirtin mit Krummstab dargestellte Äbtissin mit zwei Musikern umrahmte, deutet auf den Stellenwert hin, den die Musikpflege seit dem 17. Jahrhundert nicht nur am Hof de...

Die Zeichnung gehört zu einem dreiseitigen Schreiben, mit dem Moritz Goswin von Ketteler 1729 seiner Schwester Maria Agnes zur Wahl zur Äbtissin des Klosters Gravenhorst gratulierte. Dass er die in stilisierter Demutshaltung und als Hirtin mit Krummstab dargestellte Äbtissin mit zwei Musikern umrahmte, deutet auf den Stellenwert hin, den die Musikpflege seit dem 17. Jahrhundert nicht nur am Hof des Fürstbischofs von Münster, sondern auch in einigen Häusern des Landadels einnahm. Das Erlernen wenigstens eines Instruments gehörte zum Bildungskanon der Kavaliere wie auch der jungen Damen. Von den Höfen der Fürsten von Bentheim-Steinfurt bzw. Bentheim-Tecklenburg sowie vom Schloss Nordkirchen sind bedeutende Musikalien-Sammlungen für die dort tätigen Hofkapellen überliefert. Max Friedrich von Droste-Hülshoff (1764-1840) komponierte geistliche Musik, Kammermusik, Sinfonien und sogar Opern.

An diese Tradition knüpfte in den 1990er Jahren die von WDR und Landschaftsverband Westfalen-Lippe veranstaltete Konzertreihe mit Musik an westfälischen Adelshöfen an.

LAV NRW W, B 210 / Kloster Gravenhorst, Nr. 254 und W 351 / Plakatsammlung, Nr. 4293.

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April: Große Oper in der Provinz

Die Musikliebhaber Münsters hatten zwar bereits in dem von Franz Freiherr von Fürstenberg 1774 er-richteten (und laut Ankündigung für die Oper Der Maurer und Schlosser „gut geheizten“) Komödien-haus Singspiele und Opern bis hin zu Werken Richard Wagners erleben können, doch war man auch in dem 1895 erbauten, 1906 erweiterten „Lortzing-Theater“ für Opernaufführungen mangels eigenen Personals zunäch...

Die Musikliebhaber Münsters hatten zwar bereits in dem von Franz Freiherr von Fürstenberg 1774 er-richteten (und laut Ankündigung für die Oper Der Maurer und Schlosser „gut geheizten“) Komödien-haus Singspiele und Opern bis hin zu Werken Richard Wagners erleben können, doch war man auch in dem 1895 erbauten, 1906 erweiterten „Lortzing-Theater“ für Opernaufführungen mangels eigenen Personals zunächst auf auswärtige Künstler angewiesen. Bis 1922 verpachtete die Stadt Münster das Theater an Direktoren, die angesichts des finanziellen Risikos keinen regelmäßigen Spielbetrieb etablieren konnten.

Den ersten umfangreichen Opern-Spielplan stellte 1909 der neue Direktor Leopold Sachse auf, der dafür das Ensemble der Krefelder Bühnen verpflichtet hatte. Der Erfolg dieser Saison war so bedeutend, dass für die Spielzeit 1911/12 erstmals ein Theaterorchester gegründet werden konnte und dadurch die bis dahin in Anspruch genommenen Dienste der Kapelle des 13. Infanterie-Regiments (!) verzichtbar wurden.

Nach der Zerstörung des Lortzings-Theaters im Juli 1941 wurde das neue Stadttheater als erster Theaterneubau Deutschlands nach dem Krieg am 4. Februar 1956 mit Mozarts Zauberflöte eröffnet.

LAV NRW W, W 351 Nr. 244 und 796

 

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Mai: Im Verein zum Wohle der Kunst (I)

Der Westfälische Kunstverein gründete sich 1831 nach dem Vorbild kurz zuvor entstandener Pendants in Köln und Düsseldorf unter dem Namen Versammlung hiesiger Künstler und Kunstfreunde in Münster. Als Hauptziele definierten die Statuten die Sammlung von Kunst-werken insbesondere aus aufgelöstem kirchlichen Besitz, die Errichtung eines entsprechen-den Museums (vgl. Monatsarchivale Januar) und die Fö...

Der Westfälische Kunstverein gründete sich 1831 nach dem Vorbild kurz zuvor entstandener Pendants in Köln und Düsseldorf unter dem Namen Versammlung hiesiger Künstler und Kunstfreunde in Münster. Als Hauptziele definierten die Statuten die Sammlung von Kunst-werken insbesondere aus aufgelöstem kirchlichen Besitz, die Errichtung eines entsprechen-den Museums (vgl. Monatsarchivale Januar) und die Förderung zeitgenössischer Kunst. Letztere finanzierte man durch den (obligatorischen) Kauf von Aktien durch die Mitglieder, die Veranstaltung von Ausstellungen, die Verlosung von Original-Kunstwerken an Aktieninhaber und die Ausgabe von Graphiken o.ä. als Nietenblätter an die Mitglieder ohne Losgewinn.

Der Kunstverein rekrutierte sich zunächst fast ausschließlich aus Münsters Bürgertum und hatte 1840 über 250 Mitglieder. Nach starkem Rückgang um 1850 erhielt der Verein ab 1860 starken Zulauf aus ganz Westfalen sowie aus Städten wie Berlin, Breslau, Hamburg oder Po-sen und wuchs um 1865 auf knapp 1400 Mitglieder, für deren Betreuung in wichtigen Orten Westfalens lokale Geschäftsführer ernannt wurden.

Heute zählt der Kunstverein etwa 1000 Mitglieder und genießt Hausrecht im LWL-Museum für Kunst und Kultur.

LAVNRW W, K 001 Nr. 5639, U 160 Nr. 3764, K 312 Nr. 665

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Juni: Kultur für Kohle

Vom extrem kalten Nachkriegswinter 1946/47 in Europa war Hamburg aufgrund der enormen Zerstörung besonders betroffen. Die Hamburger Theater waren zwar teilweise noch intakt, konnten je-doch ihre Bühnentechnik mangels Kohlenzuteilung nicht vor der Kälte und damit drohenden irreparablen Schäden schützen. Otto Burrmeister, Verwaltungsdirektor des Deutschen Schauspielhauses, organisierte deshalb im De...

Vom extrem kalten Nachkriegswinter 1946/47 in Europa war Hamburg aufgrund der enormen Zerstörung besonders betroffen. Die Hamburger Theater waren zwar teilweise noch intakt, konnten je-doch ihre Bühnentechnik mangels Kohlenzuteilung nicht vor der Kälte und damit drohenden irreparablen Schäden schützen. Otto Burrmeister, Verwaltungsdirektor des Deutschen Schauspielhauses, organisierte deshalb im Dezember 1946 eine LKW-Expedition ins Ruhrgebiet, um Kohlen direkt an der Quelle zu beschaffen.

Tatsächlich fanden sich Bergleute auf der Zeche König Ludwig in Recklinghausen bereit, die LKW an den Besatzungsbehörden vorbei mit Kohle zu beladen. Da sie eine Bezahlung mit wertlosen Reichsmark ablehnten, versprachen die Hamburger Theaterleute, sich im folgenden Sommer mit Aufführungen zu bedanken.

Diese Zusage wurde vom 27. Juni bis 2. Juli 1947 mit den Dankgastspielen im Städtischen Saalbau in Recklinghausen eingelöst und institutionalisierte sich bereits 1948 unter maßgeblicher gewerkschaftlicher Mitwirkung zu den jährlichen Ruhr-Festspielen.

Die in den 1950er Jahren begonnene Debatte um den Bau eines eigenen Festspielhauses mündete 1961 in die Grundsteinlegung eines Baus, der von der Stadt Recklinghausen, dem DGB sowie von Bund und Land NRW finanziert und 1965 eröffnet wurde.

Zum 50. Jahrestag des legendären ersten Kohletransports nach Hamburg gab die Deutsche Post AG 1996 eine Briefmarke mit dem (damaligen) Logo der Festspiele heraus.

LAV NRW W, T 503 Nr. 34 und O 004 Nr. 3909.

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Juli: Musikalische Heiligenverehrung

Um 1120 gab der Bremer Domherr Vicelin, der spätere Bi­schof von Oldenburg/Holstein (+1154), die Erstellung einer Handschrift in Auftrag, um die drei Bremer Bischöfe Willehad (um 740-789), Ansgar (801-865) und Rimbert (830-888) zu würdigen. Dieser Codex Vicelinus hebt sich von anderen Heiligenviten vor allem dadurch ab, dass er die Beschreibung der Lebensläufe dieser Heiligen mit der Liturgie zu i...

Um 1120 gab der Bremer Domherr Vicelin, der spätere Bi­schof von Oldenburg/Holstein (+1154), die Erstellung einer Handschrift in Auftrag, um die drei Bremer Bischöfe Willehad (um 740-789), Ansgar (801-865) und Rimbert (830-888) zu würdigen. Dieser Codex Vicelinus hebt sich von anderen Heiligenviten vor allem dadurch ab, dass er die Beschreibung der Lebensläufe dieser Heiligen mit der Liturgie zu ihren Ehren verbindet. Von besonderer Bedeutung ist das Willehad-Officium, das liturgische Gesänge zum Festtag des heiligen Willehad (am 8. November) mit so genannten Antiphonen verbindet, also vorgeschalteten und dann wiederholten Gesängen, deren Texte explizit auf Willehad eingehen.

Die Notation dieser Gesänge erfolgte in Neumen, einer mit­telalterlichen Form der Notenschrift, die über keine (oder nur indirekte) Angaben zur Tondauer verfügt und ursprünglich auch nur ungefähre Hinweise auf die Tonhöhe gab, weil sie nicht auf Linien notiert wurde. Später wurde eine ungefähre Tonhöhe zunächst durch eine Notenlinie mitgeteilt, dann auch durch zwei.

Die Gesänge zu Ehren Willehads im Codex Vicelinus sind jedoch durch Neumen auf vier Notenlinien notiert, die zudem mit den Tonhöhen f, a, c und e bezeichnet werden. Dadurch sind die Melodien eindeutig identifizierbar, wenn auch die Länge der einzelnen Töne durch die Neumen nicht gekennzeichnet ist.

Der Codex Vicelinus gelangte (angeblich) als Geschenk des Vicelin in das Kloster Abdinghof in Paderborn – und darf deshalb hier als westfälisches Kulturgut vereinnahmt werden.

LAV NRW W, W 001/ Msc. I ("Ältere Sammlung"), Nr. 228.

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August: Theater an der frischen Luft

Von der Antike bis ins Mittelalter führte man Theaterstücke grundsätzlich im Freien auf und nutzte auch noch im Barock Gartenanlagen mit künstlichen Ruinen und Grotten gerne als Schauspielkulissen.

Insofern lebte eine alte Tradition wieder auf, als im deutschsprachigen Raum im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zahlreiche Freilichtbühnen gegründet wurden, darunter 1923 in Nettelstedt bei Lübbecke, 1925 in Stromberg bei Oelde und 1924 in Heessen bei Hamm. 1953 schlossen sich ebendort 13 Amateurtheater aus NRW und Niedersachsen zum Verband Deutscher Freilichtbühnen zusammen, der derzeit 89 Mitglieder in acht Bundesländern vertritt.

LAVNRW W, K 001/Oberpräsidium Münster, Nr. 5636.

September: Männerchor-Seligkeit

Die Konjunktur der Männergesangvereine im 19. Jahrhundert produzierte nicht nur eine Vielzahl von Gesangs-Wettbewerben (vgl. Monatsarchivale Februar), sondern auch eine Flut einschlägiger Chorliteratur von oft zweifelhafter musikalischer Qualität. Den gezeigten „Gruß an Westfalen“ hat zu nicht bekanntem Datum, aber wohl vor 1914 Johannes Debbelt (1862-1937) aus Drensteinfurt komponiert, der von 1...

Die Konjunktur der Männergesangvereine im 19. Jahrhundert produzierte nicht nur eine Vielzahl von Gesangs-Wettbewerben (vgl. Monatsarchivale Februar), sondern auch eine Flut einschlägiger Chorliteratur von oft zweifelhafter musikalischer Qualität.

Den gezeigten „Gruß an Westfalen“ hat zu nicht bekanntem Datum, aber wohl vor 1914 Johannes Debbelt (1862-1937) aus Drensteinfurt komponiert, der von 1879 bis ca. 1920 als Seminarmusiklehrer an verschiedenen Orten in Westfalen und im Rheinland (Langenhorst, Atteln und Bleiwäsche/Kreis Büren, Lehrerseminar Kloster Para-dies bei Jordanowo und Odenkirchen) wirkte.

Debbelts Lied für vierstimmigen Männerchor weist viele Charakteristika dieses Genres auf: ein vierstrophiges Gedicht patriotisch-chauvinistischen Inhalts als Textvorlage, gleichförmiger, „frisch“ aufzuführender Satz in einfacher Tonart (G-Dur) und im 3/4-Takt mit Auftakt, eher schlichte Harmonik, homophone und rhythmisch weitgehend parallele Führung der vier Stimmen zur besseren Verständlichkeit des Textes.

Ich grüße dich, mein Land Westfalen, du Land gekrönt von der Natur,
du Land der Schätze groß an Zahlen, voll Berge, Felsen, Wald und Flur.
Du Land der Biederkeit und Treue, du Land ohn‘ Falsch und Heuchelei,
es klingt mein Wunsch, den ich dir weihe, daß Gott auf ewig mit dir sei.

Westfalia, dich kann man preisen als Tochter der Germania,
treu steht dein Volk und stark wie Eisen in Liebe seinem Kaiser nah.
Westfalens Mut, Westfalens Treue ward tausendfach schon hart erprobt,
das giebt Westfalens Volk die Weihe, daß es stets hält, was es gelobt.

In Gattentreu, in Mutterliebe, Westfalens Frau steht hoch geehrt,
und nur der Tugend edle Triebe Westfalens Maid im Busen nährt.
In ihrem Auge kannst du lesen des Herzens reine Frömmigkeit;
fürwahr, es gleicht ihr ganzes Wesen dem Sinnbild der Bescheidenheit.

Mein Heimatland, du Land Westfalen, mein ganzes Herz bleibt ewig dein,
es ist fürwahr kein eitles Prahlen, die Heimatliebe nicht nur Schein.
O, daß ich, wenn die Augen brechen, wenn mich erfaßt die Todeshand,
den letzten Wunsch noch könnte sprechen: Gott sei mit dir, mein Heimatland!

LAV NRW W, V 511/Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Münster (Dep.), Haus Brunn – Debbelt, Nr. 116.

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Oktober: Im Verein zum Wohle der Kunst (II)

Nach Ende des Ersten Weltkriegs schlossen sich in vielen westfälischen Städten Künstler*innen zu solidarischen Vereinen zusammen, darunter 1919 in Münster die Freie Künstlergemeinschaft Schanze e.V., die bis heute existiert.

Auf regionaler Ebene kam es im Juni 1921 unter Mitwirkung des Westfälischen Kunstvereins (vgl. Monatsarchivale Mai), des Westfälischen Heimatbundes und des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen Bernhard Wuermeling in Gelsenkirchen zur Gründung der Vereinigung Westfälischer Künstler und Kunstfreunde, die ebenfalls die prekäre Lage vieler Kunstschaffender verbessern sollte. Die Mitglieder (1924 bereits über 1500) erhielten für ihren Beitrag eine Jahresgabe, nahmen an einer Jahresverlosung teil und bezogen eine Heimatzeitschrift verbilligt. Die Vereinigung organisierte (auch mit Hilfe dezentraler Ortsgruppen) regelmäßige (Wander-)Ausstellungen und Vortragsabende, bis sie 1933 aufgelöst wurde.

LAVNRW W, K 001 / Oberpräsidium Münster, Nr. 5636 und 7962.

November: Kunst oder Kommerz?

Verfolgen Zirkusunternehmen rein kommerzielle Interessen oder genügen sie auch künstlerischen Ansprüchen? Das war (und ist?) nicht nur eine Frage des Selbstverständnisses – die Antwort konnte direkte Auswirkungen auf die Finanzen der Zirkusinhaber haben. Denn eine amtliche Bestätigung, dass es sich bei den Produktionen um Kunst handele, verhalf zu erheblichen Steuererleichterungen. So bescheinig...

Verfolgen Zirkusunternehmen rein kommerzielle Interessen oder genügen sie auch künstlerischen Ansprüchen? Das war (und ist?) nicht nur eine Frage des Selbstverständnisses – die Antwort konnte direkte Auswirkungen auf die Finanzen der Zirkusinhaber haben. Denn eine amtliche Bestätigung, dass es sich bei den Produktionen um Kunst handele, verhalf zu erheblichen Steuererleichterungen.

So bescheinigt der Direktor Julius Gleich seinem Zirkus in einem Schreiben an den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen „künstlerisch hochstehenden Wert“, verweist darauf, dass er „zu wissenschaftlichen Zwecken eine Anzahl exotischer Tiere“ mitführe, und behauptet, dass sein Zirkus in ganz Europa „als wissenschaftliches und kulturelles Unternehmen anerkannt“ werde. Dennoch verweigert der Regierungspräsident in Münster ihm den begehrten „Kunstschein“, da „die Voraussetzungen hierfür bei Ihnen nicht vorliegen.“

LAV NRW W, K 201/Regierung Münster, Nr. 42693.

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Dezember: Theater für und von Jugendliche(n)

Ansätze zu einer gezielten Vermittlung von Schauspiel und Bühnenkunst unter Jugendlichen reichen zurück in die Schul- und Laientheaterbewegung der 1920er Jahre. Eine Theaterpädagogik im heutigen Sinne entwickelte sich in den späten 1960er Jahren und nahm auch weitere Zielgruppen wie Senioren oder Menschen mit Beeinträchtigungen in den Blick. Die systematische Theaterarbeit mit jungen Leuten ging...

Ansätze zu einer gezielten Vermittlung von Schauspiel und Bühnenkunst unter Jugendlichen reichen zurück in die Schul- und Laientheaterbewegung der 1920er Jahre. Eine Theaterpädagogik im heutigen Sinne entwickelte sich in den späten 1960er Jahren und nahm auch weitere Zielgruppen wie Senioren oder Menschen mit Beeinträchtigungen in den Blick.

Die systematische Theaterarbeit mit jungen Leuten ging von freien Theatern aus, die besonders im Rahmen eines bundesweiten Modellversuchs „Künstler in den Schulen“ Schultheater-Projekte erarbeiteten.

In Sorge um ihren Publikumsnachwuchs schlossen sich dann die öffentlichen Theater diesen Bemühungen an, darunter auch die damaligen Städtischen Bühnen Münster. Der dabei gegründete Theaterjugendring erfreut sich als Abonnement für Schüler*innen im Klassenverband bis heute großer Beliebtheit.

LAV NRW W, W 351, Nr. 592 und 593.

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