Kunst und Kultur in Westfalen (Archivale des Monats der Abteilung Westfalen)
Vor 75 Jahren finden in Recklinghausen jene Opern- und Theateraufführungen statt, mit denen sich die staatlichen Bühnen Hamburgs im Sommer 1947 bei den Bergleuten der Zeche „König Ludwig“ für spontane (und illegale) Kohlenlieferungen im vorangegangenen Winter bedanken und damit den Grundstein für die Ruhrfestspiele legen. Vor 150 Jahren, am 28. Januar 1872, konstituiert sich der Westfälische Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst mit dem Ziel, staatliche Kulturförderung in der Provinz Westfalen zu bündeln. Vor 200 Jahren, am 27. Februar 1822, werden die Statuten der Münsterschen Liedertafel genehmigt und begründen damit den ersten Männergesangsverein in Westfalen.
Vor dem Hintergrund dieser Jubiläen wirft das Archivale des Monats der Abteilung Westfalen des Landesarchivs 2022 einige Schlaglichter auf Kunst und Kultur im westfälischen Raum – ohne natürlich die Vielfalt ihrer Ausformungen auch nur ansatzweise andeuten zu können.
August: Theater an der frischen Luft
Von der Antike bis ins Mittelalter führte man Theaterstücke grundsätzlich im Freien auf und nutzte auch noch im Barock Gartenanlagen mit künstlichen Ruinen und Grotten gerne als Schauspielkulissen.
Insofern lebte eine alte Tradition wieder auf, als im deutschsprachigen Raum im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zahlreiche Freilichtbühnen gegründet wurden, darunter 1923 in Nettelstedt bei Lübbecke, 1925 in Stromberg bei Oelde und 1924 in Heessen bei Hamm. 1953 schlossen sich ebendort 13 Amateurtheater aus NRW und Niedersachsen zum Verband Deutscher Freilichtbühnen zusammen, der derzeit 89 Mitglieder in acht Bundesländern vertritt.
LAVNRW W, K 001/Oberpräsidium Münster, Nr. 5636.
Oktober: Im Verein zum Wohle der Kunst (II)
Nach Ende des Ersten Weltkriegs schlossen sich in vielen westfälischen Städten Künstler*innen zu solidarischen Vereinen zusammen, darunter 1919 in Münster die Freie Künstlergemeinschaft Schanze e.V., die bis heute existiert.
Auf regionaler Ebene kam es im Juni 1921 unter Mitwirkung des Westfälischen Kunstvereins (vgl. Monatsarchivale Mai), des Westfälischen Heimatbundes und des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen Bernhard Wuermeling in Gelsenkirchen zur Gründung der Vereinigung Westfälischer Künstler und Kunstfreunde, die ebenfalls die prekäre Lage vieler Kunstschaffender verbessern sollte. Die Mitglieder (1924 bereits über 1500) erhielten für ihren Beitrag eine Jahresgabe, nahmen an einer Jahresverlosung teil und bezogen eine Heimatzeitschrift verbilligt. Die Vereinigung organisierte (auch mit Hilfe dezentraler Ortsgruppen) regelmäßige (Wander-)Ausstellungen und Vortragsabende, bis sie 1933 aufgelöst wurde.
LAVNRW W, K 001 / Oberpräsidium Münster, Nr. 5636 und 7962.